Der Schule gehen die Schüler aus

Die CDU in Niedersachsen will um jeden Preis die Hauptschulen erhalten, auch wenn viele davon wegen des demographischen Wandels gefährdet sind. Die Christdemokraten in Hamburg und Kiel sind beweglicher

Sie produziert Problemkinder, die Eltern wählen sie reihenweise ab. Auch demographisch wird es bald eng für die Hauptschule. Nach einer Aufstellung der SPD in Niedersachsen haben viele dieser Schulen künftig keine Schüler mehr. Bis zum Jahr 2010 nimmt demnach die Zahl der Zehnjährigen in einigen Regionen um bis zu 14 Prozent ab, in Wilhelmshaven sogar um bis zu einem Viertel. Dadurch wären 76 Prozent der 442 ein- oder zweizügigen Hauptschulen im Land gefährdet, rechnete SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner gestern vor.

Es sei „alarmierend“, so Jüttner, dass auch über die Hälfte der insgesamt 244 ein- und zweizügigen Realschulen nicht weiterbestehen könnten, wenn die Klassenstärke bei 20 bis 24 Schülern bleiben soll. „Das gefährdet in höchstem Maß den Anspruch, die Schule bleibt im Dorf“, sagte Jüttner. Von den insgesamt 219 Gymnasien in Niedersachsen sind durch den Schülerschwund nur drei bedroht.

Der SPD-Grande hatte die Statistik-Daten natürlich nur ausgewertet, um für sein Modell der gemeinsamen Beschulung bis zur zehnten Klasse zu werben – und, um CDU-Kultusminister Bernd Busemann in die Bredouille zu bringen. Busemann, ein Verfechter des bestehenden dreigliedrigen Systems, rechnete der SPD im Gegenzug Rechenfehler vor. Bei weniger Schülern sei es doch die „besondere Herausforderung, „möglichst alle Schulstandorte zu erhalten“, vor allem in der Fläche. Die „Einheitsschule“ lege die „Axt an eine gesunde Schullandschaft“, befand Busemann. Jüttner wolle „doch nicht im Ernst den Menschen erzählen, dass er quasi in jedem Dorf eine gemeinsame Schule vorhalten will, die von der Förderschule bis zum Gymnasium alles umfasst“.

Beweglicher bei der Infragestellung der Dreigliedrigkeit zeigen sich Busemanns Parteikollegen in Hamburg und Schleswig-Holstein: Die Kieler CDU toleriert inzwischen die Einführung von Gemeinschaftsschulen – auch hier gibt es das Demographieproblem.

In Hamburg wollte die CDU lange die „Hauptschule stärken“. Erst im Herbst 2005 sprach sich ihr Schulexperte Robert Heinemann für das Ende dieser Schulform aus. Denn auch an der Elbe laufen den Haupt- und Realschulen die Schüler weg: Wurde im Jahr 2000 noch 25 Prozent der Viertklässler dort angemeldet, waren es in diesem Jahr nur noch 16 Prozent – ein Prozentpunkt mehr als in Niedersachsen. Stattdessen soll es nun ein Zwei-Säulen Modell aus Gymnasien und Mittelschulen nach dem Vorbild Sachsens geben.

Auch Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) zieht dabei inzwischen mit. Ursache für den Sinneswandel sind nicht zuletzt die schlechten Ergebnisse des Pisa-Mathematik-Tests im Jahr 2003: Hier kam Hamburg nur auf Platz 14. Besonders bedenklich stimmte, dass sich drei Viertel der Hauptschüler in Mathe auf dem Niveau von beinahe berufsuntauglichen Risikoschülern befanden.

Derzeit bastelt der Hamburger CDU-Senat an einem Modell, das frühestens 2008 umgesetzt werden soll. KAIJA KUTTER/
KAI SCHÖNEBERG