: Fragwürdige Bilder
SCHWARZ-WEISS Auf dem Internationalen Bremer Symposium zum Film wird die Schnittstelle zwischen Film- und Geschichtswissenschaft untersucht
Das frühe 20. Jahrhundert ist in der kollektiven Erinnerung schwarz-weiß – gemäß der Bilder, die wir aus jener Zeit haben. Die wenigen dokumentarischen Farbaufnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus oder des Zweiten Weltkriegs schaffen es jedes Mal wieder, zu irritieren. Auf den ersten Blick wirken sie falsch, koloriert, unauthentisch.
Solche Unschärfen entstehen an den Schnittstellen von Film und Geschichte. Diese werden von Filmwissenschaftlern in den letzten Jahren vermehrt untersucht, denn es scheint sich ein Paradigmenwechsel weg von der Dominanz der Texte und hin zur Dominanz der Bilder zu vollziehen. Zeitzeugen werden nicht mehr mit dem Tonbandgerät, sondern vor einer Kamera befragt und so wird die „oral history“ in der „visual history“ aufgehoben.
Aber auch dokumentarische Bilder sind alleine schon durch die Montage inszeniert. In welchem Umfang können wir uns also ein gültiges Bild von der Vergangenheit machen? Solche Fragen werden auf dem 19. Internationalen Bremer Symposium zum Film behandelt, das unter dem Titel „Film und Geschichte“ bis zum 11. Mai im Bremer Kommunalkino City 46 stattfindet.
Nach vielen Jahren ist wieder Thomas Elsaesser zu Gast, einer der scharfsinnigsten Medientheoretiker seiner Generation. Er wird am Donnerstag um 19.15 Uhr in seinem Vortrag den Essayfilm „Aufschub – Dokumentarische Szenen aus einem Judendurchganglager“ von Harun Farocki analysieren. Dieser besteht aus historischem Filmmaterial, das 1944 ein Häftling im KZ-Sammellager Westerbork drehte. Ein fertig geschnittener Film ist daraus nie entstanden und so fehlt den Aufnahmen ohne Ton die offensichtlich propagandistische Tendenz. „Wer spricht in den Bildern aus der Vergangenheit und wem gehört ihre Beweiskraft?“ ist eine der Fragen, die Elsaesser hier untersucht.
Eine Neuerung beim Symposium sind die Werkstattgespräche mit RegisseurInnen. So wird die Hamburger Filmemacherin Eva Knopf ihre Dokumentation „Majubs Reise“ vorstellen. Und Philip Scheffner spricht von seinen Recherchen zu seinem Film „The Halfmoon Files“ von 2007, in dem er vom „Halbmondlager“ erzählt, das 1916 in Wünsdorf bei Berlin für muslimische Kolonialsoldaten gebaut wurde, die in Kriegsgefangenschaft gerieten. Sein Ausgangsmaterial sind Tonaufnahmen von einem damals befragten Inder. Oft wird Geschichte durch Geschichten von den Rändern besonders gut lebendig. HIP
Symposium „Film und Geschichte“: noch bis 11. Mai, City 46, Bremen