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Archiv-Artikel

portrait Geschichtsprofessor im Bilderstreit

Ach, es ist leicht zu merken: Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, juckt die Zunge. So gern würde er etwas zu dem Fall sagen, der ihn wieder in die Schlagzeilen gebracht hat – aber er darf nicht. Er hat zugesichert, nichts zu einem Antrag zu sagen, den er vergangene Woche vor einem New Yorker Gericht gestellt hat. Dieser Einspruch stoppte eine der spektakulärsten Auktionen, die den Kunstmarkt in letzter Zeit erwartet hätte: Es geht um ein Werk Pablo Picassos, das auf 47 Millionen Euro geschätzt wird.

Wegen umstrittener Besitzverhältnisse untersagte der New Yorker Bezirksrichter Jed Rakoff auf Antrag des Potsdamer Professors zunächst einmal die Versteigerung des Picasso-Porträts seines Freundes Angel Fernandez de Soto. Es ist ein Werk aus der Blauen Periode des Malergenies. Das Bild zeigt einen skeptisch blickenden jungen Mann vor einem Glas Absinth.

Warum Schoeps die Versteigerung stoppen ließ? Der Historiker ist mütterlicherseits Großneffe von Paul von Mendelssohn-Bartholdy, dem das Bild bis 1935 gehörte. Der Berliner Bankier verkaufte das Werk – ob ihn die Nazis dazu zwangen, das ist die Frage, die Richter Rakoff nun auf Antrag einer Erbengemeinschaft klären soll, zu der Schoeps gehört.

Der Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt deutsch-jüdische Geschichte entstammt einer bekannten jüdischen Intellektuellen- und Bankiersfamilie Berlins. Während der Nazizeit wurde ein Großteil der Familie ermordet. Die Eltern von Schoeps konnten nach Schweden emigrieren, wo Julius Hans 1942 geboren wurde. Sein Vater, der Religionsgeschichtler Hans-Joachim Schoeps, holte seine beiden Söhne 1948 nach Deutschland, wo Julius aufwuchs. Nach dem Abitur 1963, ausgerechnet auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden, schlug Schoeps junior die akademische Laufbahn ein und studierte in Erlangen und Berlin unter anderem Geschichte und Politikwissenschaft. Nach Dissertation (1969) und Habilitation (1973) entwickelte er sich zu einem der führenden deutsch-jüdischen Intellektuellen der Gegenwart. Schoeps mischt sich öffentlich häufig und oft pointiert ein, wo es um das schwierige deutsch-jüdische Verhältnis geht.

Dass er nun in eigener Sache zum Schweigen verurteilt ist, passt deshalb so gar nicht zu diesem wortgewaltigen Mann. Dabei gäbe es doch in diesem Fall so viel zu sagen. Nicht zuletzt, weil bei Christie’s morgen ein weiteres Bild zur Versteigerung steht, über das seit Monaten diskutiert wird – und das viel über das deutsch-jüdische Verhältnis erzählt: die „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig Kirchner. PHILIPP GESSLER