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Archiv-Artikel

Etikettenschwindel

BILDUNG In Sachsen heißen Gemeinschaftsschulen jetzt Konsultationsschulen – mit altem Konzept

DRESDEN taz | Als ein „Trostpflaster“ kommentierte die Opposition im Februar das Angebot des sächsischen CDU-Kultusministers Roland Wöller, die auslaufenden sächsischen Gemeinschaftsschulen in „Konsultationsschulen“ umzubenennen. Im November erhielten nun drei der neun Gemeinschaftsschulen den Status einer Konsultationsschule. Dabei handelt es sich nach deren Einschätzung um einen Etikettenschwindel.

An der Selektion der Schüler nach der 4. Klasse wollen CDU und FDP weiterhin nicht rütteln. Aber andere „innovative pädagogische Ansätze“ der Gemeinschaftsschulkonzepte könnten geprüft werden, sagte Kultusminister Roland Wöller damals. Das Bemühen des Kultusministeriums sei spürbar gewesen, eine „goldene Brücke“ zu bauen und die Anstrengungen der Schulen und der Eltern zu würdigen, sagt Schulleiter Frank Hunger von der Gemeinschaftsschule Oederan. Seine Schule habe sich um den Titel „Konsultationsschule“ beworben, „damit wir den Faden guter Erfahrungen weiterspinnen können“. Denn offenbar hat sich doch einiges bewährt, was andere Mittelschulen übernehmen könnten: zweite Fremdsprache ab der 6. Klasse, Ergänzungsunterricht, selbstorganisiertes Lernen.

An der Gemeinschaftsschule Dresden-Pieschen gibt sich Schulleiterin Petra Bräutigam gelassen. „Für uns ändert sich nicht viel“, sagt sie. Man unterrichte in den „normalen“ Mittelschulklassen wie bisher weiter, zu dem eben auch Leistungskurse und Gymnasialkurse gehören, die einen späteren Wechsel an das Gymnasium erleichtern können. Die Schule ist stolz, für mehr Flexibilität an Mittelschulen gesorgt zu haben.

Ursprünglich sollten Elemente der Gemeinschaftsschule in jene Fortentwicklung der sächsischen Mittelschule einfließen, die etwas euphemistisch „Oberschule“ getauft wird. Von einer baldigen Einführung aber hat sich das Kultusministerium inzwischen verabschiedet. Eine Sprecherin kann nicht sagen, wann beispielsweise Leistungsgruppen oder die zweite Fremdsprache verbindlich werden.

An der Evaluation der in sechs Jahren auslaufenden Gemeinschaftsschulen durch den Erziehungswissenschaftler Wolfgang Melzer von der TU Dresden aber wird festgehalten. Melzer findet es sinnvoll, „die bewährten Gemeinschaftsschulen in einen neuen Status zu bringen“.

MICHAEL BARTSCH