: Fast perfekt nachgemacht
JUSTIZ Das Landgericht verurteilt Fälscher zu Bewährungsstrafe. Kunsthändler wird jedoch freigesprochen: Er habe nichts von den Fälschungen gewusst
Ein Kunstfälscher ist am Montag wegen Beihilfe zum Betrug und zur Urkundenfälschung zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der 52-Jährige wurde schuldig gesprochen, zwischen 2007 und 2009 drei Ölbilder des jüdischen Malers Felix Nussbaum (1904–1944) und zwei Gemälde von Martin Kippenberger (1953–1997) gefälscht zu haben.
Fast ein halbes Jahr lang versuchten die Richter des Landgerichts herauszubekommen, wer was wusste von den gefälschten Gemälden des Malers. Das Problem: Der Kunstmarkt funktioniere nach eigenen Regeln, sagt der Vorsitzende Richter am Schlusstag. Es sei unüblich, viel zu fragen. Zudem gebe es zwischen Original und Fälschung viele Abstufungen von „restauriert“ zu „teil-“ bis „nichtauthentisch“. Letzteres sei „die nettere Bezeichnung für Fälschung“, so der Vorsitzende.
Die sei einen Versuch wert: Bemerke jemand den Betrug, „greift keine der Kapazitäten zum Telefon und ruft die Polizei“. Das muss auch Gustav N. gewusst haben, der 70-jährige Initiator des Nussbaum-Schwindels. Im Frühjahr 2007 kam der Kunsthistoriker in die Wilmersdorfer Werkstatt des Malers und Restaurators Jürgen R. und bestellte ein Werk des 1944 von den Nazis ermordeten Künstlers. Angeblich wollte er seine Bekannten beeindrucken. Als Vorlage brachte der Doktor ein Buch über Nussbaum. Es entstand eine angeblich aus dem Jahre 1943 stammende Komposition aus zwei Büchern, einer Puppe nebst Vase und Pampelmuse. Im Hintergrund versteckte der Fälscher einen Artikel aus dem „Israelitischen Familienblatt“ von 1929, der Nussbaums Durchbruch als Maler einläutete. 5.000 Euro zahlte N. dem Schöpfer. Dann bat er das Trödlerehepaar Sigrid und Wilhelm D. um Verkaufshilfe.
Die wiederum kannten Björn S. (41), einen Schweden mit Kontakt in die Kunstszene. Der schrieb der Leiterin des Osnabrücker Nussbaum-Museums, ein bislang unbekanntes Werk sei nach Berlin gelangt. Als Ingeborg Jaehner das Bild in den Händen hielt, „wirkte sie geradezu schwärmerisch“, erinnert sich der Schwede. Dieses Bild schien ihr Nussbaums Abschied von seiner Künstlerlaufbahn zu sein, dessen Anfang er in Form des Zeitungsausrisses aus dem „Israelitischen Familienblatt“ zitierte. Für sie war die Aufnahme ins Werksverzeichnis keine Frage.
Kurz nach ihrem Berlinbesuch rief sie ein auf jüdische Kunst spezialisierter Experte an: Es wäre doch gut, wenn dieser Nussbaum für die Öffentlichkeit gerettet werden könnte. Erst vor Gericht erfährt die Direktorin, dass jener Anrufer mitverdiente. Sie ist völlig überrascht, löste sein Anruf doch ihre Entscheidung aus, das Bild für 200.000 Euro anzukaufen: 80.000 Euro kassierte der Schwede, 10.000 Euro die Trödler und 110.000 Euro gingen an Gustav N.
Ein Jahr später wird Jaehner erneut ein ebenfalls von Jürgen R. gefälschter Nussbaum gezeigt: „Selbstporträt mit Maske, Handschuh und Fußball“. Es wurde für 500.000 Dollar in die USA verkauft, als Geschenk für einen Juden in Israel. N. stellte auch noch eine dritte Fälschung her. Aber Ingeborg Jaehner nahm es nicht ins Werksverzeichnis auf: „Wie die Figürchen im Bild zusammengesetzt waren, das ergab keinen Sinn.“ Obendrein roch das Bild nach frischer Farbe. Dennoch war es nicht das Museum, sondern ein anonymer Tipp, der den Fall ins Rollen brachte.
Am Ende muss niemand wegen Urkundenfälschung und Betrugs ins Gefängnis: Der Haupttäter Gustav N. gilt als verhandlungsunfähig. Der geständige Jürgen R. bekommt für die Fälschung der Gemälde zwei Jahre, der weniger geständige Wilhelm D. 19 Monate und dessen Frau 17 Monate Haft zur Bewährung. Der schwedische Kunsthändler wird freigesprochen: Das Gericht kann ihm nicht nachweisen, dass er von der Fälschung der Bilder gewusst hat. UTA EISENHARDT
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