: Forza Germania
Die Ankündigung von Silvio Berlusconis Mediaset, für die Mehrheit an ProSiebenSat.1 zu bieten, ruft die deutsche Medienpolitik auf den Plan. Rechtlich wäre ein Einstieg aber einwandfrei
VON STEFFEN GRIMBERG
Italiens ehemaliger Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi macht Ernst mit dem Einstieg in den deutschen Fernsehmarkt. Der Verwaltungsrat der Mediaset, die zu 39 Prozent im Besitz der Familie Berlusconi ist, will für die zum Verkauf stehende Mehrheit an der ProSiebenSat.1 AG mitbieten. Die deutsche Politik und die Mehrheit der für die Lizensierung des privaten Fernsehens zuständigen Landesmedienanstalten machen schon jetzt gegen einen möglichen Verkauf der größten deutschen Privatsendergruppe an Berlusconi Front. Verhindern könnten sie ihn nach der gegenwärtigen Rechtslage aber nicht.
„Da Herr Berlusconi meines Wissens nicht über andere Medienbeteiligungen in Deutschland verfügt, dürfte ein solches Geschäft konzentrationsrechtlich unproblematisch sein“, sagt Reinhold Albert, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, die für die Aufsicht über den privaten Rundfunk zuständig sind. Die Bedenken gegen Berlusconi teilt aber auch er.
Der Protest gegen den 70-jährigen Medienmagnaten ist logisch. Schließlich hat Berlusconi sein italienisches Medienimperium, allen voran seine drei Fernsehsender, schamlos für seine eigenen politischen Ziele instrumentalisiert. Und später als Regierungschef versucht, die gesamte Medienregulierung des Landes so umzubauen, dass dies vor allem der eigenen Konzernkasse nutzte.
So sorgt sich die Union, „dass auch bei privaten Fernsehanbietern ein Mindestmaß an qualitativ guten und politisch unabhängigen Programmen gewährleistet ist“. Und der SPD-Medienexperte Marc Jan Eumann hatte bereits am Wochenende gefordert, die Beteiligungsmöglichkeiten ausländischer Investoren an deutschen Medienunternehmen drastisch einzuschränken. Sein Vorschlag, nach dem sich ausländische Investoren nur noch zu maximal 25 Prozent in deutsche Rundfunk- oder Verlagshäuser einkaufen dürfen sollen, steht allerdings auf tönernen Füßen. Denn wegen des EU-Binnenmarktes würde eine solche Regelung nur außereuropäische Investoren treffen – nicht aber Berlusconi. Außerdem verträgt sie sich schlecht mit der von deutschen Medienkonzernen gern wahrgenommen Möglichkeit, selbst im Ausland auf Einkaufstour zu gehen.
„Für eine Diskussion über solche Begrenzungen spricht einiges“, sagt dennoch auch Albert, selbst wenn Berlusconi nicht darunterfalle. Die Medienaufsicht sei schließlich immer häufiger mit internationalen Investmentfonds konfrontiert, die für die Regulierer aber kaum greifbar wären: „Es wäre schon wünschenswert, dass die Eigentümer stärker in Deutschland verankert sind.“ Sollte es nun aber zum Verkauf der ProSieben-Gruppe an Berlusconi kommen, seien die Landesmedienanstalten „besonders gefordert“, um die „Einhaltung der deutschen Gesetze und Lizenzauflagen bei den Sendern“ durchzusetzen. Dies gelte ganz besonders für den Nachrichtenkanal N 24.
Berlusconi würde durch den Einstieg im deutschen TV-Markt einen alten Traum verwirklichen. Schon 2002 hatte er gemeinsam mit dem internationalen Medienunternehmer Rupert Murdoch Möglichkeiten ausgelotet, die Senderkette seines damals in die Pleite geschlitterten Freundes Leo Kirch zu übernehmen. Dass seinerzeit die US-Investorengruppe um Haim Saban das Rennen machte, die nun mit sattem Gewinnaufschlag weiterverkaufen will, hält Medienwächter Albert noch heute für den Kardinalfehler: Die Politik, sagt Albert, hätte sich damals „stärker für ein deutsches Konsortium engagieren“ müssen.
Doch kommt Berlusconi wirklich? Bis zu drei Milliarden Euro müsste er für die zum Verkauf stehenden 50,5 Prozent von ProSiebenSat.1 löhnen. Richtig viel könnte er nicht damit anfangen: Zwar verdient die Sendergruppe derzeit ganz gut, für weitere große Zuwächse sieht in der Branchen aber niemand Chancen. Die Synergieeffekte mit Berlusconis italienischen Aktivitäten würden zudem bescheiden ausfallen, da sich deutsches und italienisches TV-Programm kaum austauschen lassen. Weil Berlusconis Imperium jenseits der Alpen durch die neue Medienpolitik der Regierung Prodi in Gefahr gerät (taz von Samstag), könnte das Interesse an Deutschland daher auch einer ganz anderen Strategie dienen: im eigenen Land durch solche Auswanderungspläne noch einmal den politischen Druck zu erhöhen.