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Archiv-Artikel

Sternstunde der Diplomatie

WIKILEAKS Nach der Enthüllung: Weltweit bemühen sich Politiker, die eigene Betroffenheit herunterzuspielen. In Berlin sieht man die Beziehungen nicht gestört, im arabischen Raum verschweigt man die Affäre lieber gleich ganz

BERLIN taz | Bloß keine Betroffenheit zeigen: Die Wikileaks-Enthüllung der US-Diplomatenpost aus aller Welt sorgt unter den sonst so beredten Politikern für auffällige Zurückhaltung. In Berlin äußerte Regierungssprecher Steffen Seibert zwar großes Bedauern über die Veröffentlichung, die Beziehungen Deutschlands zu den USA würden aber „in keiner Weise“ getrübt. Außenminister Guido Westerwelle spielte die persönliche Kritik der US-Botschaft an seiner Person („aggressiv, es fehlt ihm an Persönlichkeit“) herunter: „Das ist so unbedeutend.“

Im afghanischen Kabul sagte Präsident Hamid Karsai – laut US-Einschätzung „von Paranoia getrieben“ –, die Dokumente würden keinen nennenswerten Einfluss auf die Beziehungen zu den USA haben. Aus Rom hieß es, Ministerpräsident Silvio Berlusconi, von den US-Diplomaten als „aufgeblasen und ineffektiv“ bezeichnet, habe über die Veröffentlichung gelacht. Der türkische Premier Tayyip Erdogan nannte die Veröffentlichung lediglich „fragwürdig“, obwohl die USA ihm unterstellen, er erliege den islamistischen Äußerungen seines Außenministers.

Ganz aus der Affäre zog sich der russische Präsident Putin. „Vor Abgabe eines Kommentars müsste man das Originaldokument sehen und zudem prüfen, ob der ein oder andere Ausdruck korrekt übersetzt wurde“, ließ er einen Sprecher mitteilen. Putin kommt in den Dokumenten als „Alphamännchen“ vor.

So gut wie gar keine Stellungnahmen gab es aus dem arabischen Raum. Lediglich der irakische Außenminister nannte die Wikileaks-Enthüllung „unpassend und nicht hilfreich“. Alle anderen Beteiligten, ob Ägyptens Präsident Hosni Mubarak oder König Abdallah von Saudi-Arabien, hüllten sich in tiefes Schweigen über die eigene Affäre, und die Staatsmedien taten es ihnen gleich. Dabei hätten gerade sie Grund zur Empörung, geht aus den Papieren doch hervor, wie eng sie mit den USA gegen den Iran paktieren.

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