: Widersprüche im Afghanistan-Mandat
Die Bundeswehr sollte in Afghanistan „Terroristen gefangen nehmen“. Doch über Festnahmen und Gerichtsverfahren kann das Verteidigungsministerium keinerlei Angaben machen. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei hervor
VON KATHARINA KOUFEN
Die Bundesregierung kann in manchen Punkten selbst nicht genau begründen, warum Deutschland sich weiterhin an der „Operation Enduring Freedom“ beteiligen soll. Das geht aus der Antwort hervor, die das Verteidigungsministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion erstellt hat und die der taz vorliegt. Seit Beginn der Operation im September 2001 hat die Bundesregierung Soldaten der Eliteeinheit KSK nach Afghanistan geschickt. Außerdem sind Angehörige der Marine am Horn von Afrika stationiert.
So fragte die Linksfraktion an: Wie viele Personen wurden aufgrund der Teilnahme der Bundeswehr an dem Einsatz gefangen genommen? Wie viele vor Gericht gestellt? Die Antwort: Die Bundeswehr verfüge über keine Informationen darüber, wie viele Personen gefangen genommen wurden. Allerdings „wurden und werden“ keine Personen direkt durch Bundeswehr-Soldaten festgenommen. Auch werden keine Übersichten über Übergaben Gefangener an afghanische Behörden geführt, genauso wenig wie über die Bedingungen von Gerichtsverfahren. Im Mandat, auf dessen Grundlage der Bundestag 2001 den Einsatz billigte, steht aber ausdrücklich, die Operation habe zum Ziel, „Terroristen gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen“.
Weiter will die Linksfraktion wissen: „Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass derzeit ein bewaffneter Angriff auf die Vereinigten Staaten stattfindet?“ Als ein solcher Angriff von außen wertete der Nato-Rat am 12. September 2001 die Terroranschläge auf das World Trade Center und auf das Pentagon – und nur deshalb konnten sich die USA auf die Beistandspflicht ihrer Bündnispartner berufen. Das Verteidigungsministerium verweist darauf, dass die Anschläge 2001 als Angriff gewertet wurden, und geht nicht auf die Entwicklung der letzten fünf Jahre ein.
Zum Einsatz der Soldaten im Rahmen von „Enduring Freedom“ heißt es: Seit 28. Oktober 2005 sind in Afghanistan keine KSK-Soldaten mehr im Einsatz. Am Horn von Afrika befinden sich derzeit 320 Soldaten der Marine. Ursprünglich stand hinter deren Stationierung die Angst, dass in Ländern wie Somalia islamistische Terrorgruppen die Oberhand gewinnen würden. Aus der Regierungsantwort geht aber hervor, dass die Fregatten der Bundeswehr vor allem Kriegs- und Hilfsschiffe der USA und Großbritanniens begleiteten. Die meisten Schiffe wurden im März und April 2003 eskortiert – just zu der Zeit, als der Irakkrieg begann. Offiziell allerdings sieht die Bundesregierung den Krieg im Irak nicht als Teil der weltweiten Terrorbekämpfung unter „Enduring Freedom“ – im Unterschied zu den USA.
Im Fall des Exhäftlings Murat Kurnaz liefert die Antwort keine neuen Erkenntnisse. Kurnaz gibt an, er sei Ende 2001 von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan misshandelt worden. Gestern konstituierte sich dazu der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss.
Zwiespältig liest sich die Antwort der Regierung auf die Frage nach den Bodentruppen in Afghanistan. In bestimmten Fällen sei eine Überschneidung von „Enduring Freedom“ und der internationalen Friedenstruppe Isaf nicht auszuschließen. Offiziell halten Regierungsmitglieder, aber auch die Opposition, etwa die Grünen-Menschenrechtsbeauftragte Claudia Roth, daran fest, dass die beiden Einsätze strikt getrennt verlaufen. Roth zum Beispiel stellt „Enduring Freedom“ als kriegerischen Einsatz dar, Isaf dagegen als Hilfe zu Frieden und Wiederaufbau.
Trotz solcher Unklarheiten gilt es als sicher, dass der Bundestag morgen zustimmen wird, wenn es um die Verlängerung der deutschen Beteiligung an „Enduring Freedom“ geht. Nur die Linksfraktion und die Grünen wollen dagegen stimmen.