Storno wegen „Porno“

AUFREGUNG Der Ex-Grüne Olaf Dinné und Eckhard Rohde ecken mit ihrem heute vorgestellten Buch „Wir im Tier“ ebenso erfolgreich wie grundlos an

„Wo man Bücher und Bilder verbietet, hat nicht das Tier schlechthin, sondern das ,Tier‘ im Menschen über die Kultur gesiegt“

Olaf Dinné hat es wieder mal geschafft: eine erfolgreiche Provokation!

Nicht, dass der Krähenberg-Kommunarde, Ex-Erstgrüne und Fast-„Bremen muss leben“-Parteigänger nun bei den so genannten „Patrioten“ aufgeschlagen wäre. Nein, Olaf Dinné, der trotz aller Lust an politischen Neugründungen denn doch nicht in die Reihe der patriotischen Ex-Geschäftsführer und Mittelinitialliebhaber passt, hat schlicht und einfach ein Buch illustriert – dessen Vertrieb deswegen prompt ins Stocken gerät.

Dinnés Zeichnungen zu „Wir im Tier“, einem gerade erschienenen Gedichtband des Rotenburger Ornithologen Eckhard Rohde, sind von einer renommierten Bremer Buchhandlung empört an den Verlag zurückgesandt worden – man verwahre sich gegen dessen „pornografische“ Zumutungen.

„Wo man Bücher und Bilder verbietet, hat nicht das Tier schlechthin, sondern das ‚Tier‘ im Menschen über die Kultur gesiegt“, heißt es nun in einer gemeinsamen Erklärung der Autoren und des Donat-Verlags. Heute um 19.30 Uhr wird das Werk, auf dessen Cover eine opulente, natürlich barbusige Sphinx mit keckem Matrosenkäppi kauert, im Wall-Saal der Stadtbibliothek vorgestellt.

Das Innere des 96-Seiters ist weit weniger der entblößten Weiblichkeit gewidmet, als die Umschlagseiten vermuten lassen. Der 75-jährige Dinné, als gelernter Architekt eines schnellen Strichs mächtig, zeichnet im Wilhelm-Busch-Stil alle möglichen tierorientierten Begebenheiten, vom „Mörderwels von Mönchengladbach“ bis zum Anti-Erhardt der Marke: „Es sprach die Made aus dem Specht, mein früher Tod war ungerecht!“ Rohdes Gedichte sind keineswegs primär von Altherrenhumor geprägt, sondern untersuchen, mal als Schüttelreim, mal als Limerick, die Überschneidungen im kreatürlichen Verhaltensspektrum: Wo das Tierhafte aufhört und das Menschliche beginnt, erweist sich dabei oft genug als Frage des Standpunkts.

Olaf Dinné verfügt auf dem Krähenberg mit dessen kleiner Stadtwerder-Ziegenherde über ausreichend Anschauungsmaterial, das offenbar gleich das Eröffnungsgedicht inspiriert hat: „Ein Ziegenbock begehrt zur Ehe, aus heißer Liebe eine Krähe.“ Nur die Eule, deren lila Variante Dinné 1964 gemeinsam mit einem Kollektiv gründete, kommt aus unerfindlichen Gründen nicht vor. Unterm Strich bleibt ein witziges, mit sicherem Versgefühl gereimtes Büchlein samt mittelguter Zeichnungen – dessen Aufregerpotenzial offenbar allein dem Namen Dinné zuzuschreiben ist. Das muss man erst mal schaffen. HENNING BLEYL