: Der Wahlkampfauftritt des Präsidenten findet nicht statt
RUSSLAND In seiner Rede zur Lage der Nation drückt sich Dmitri Medwedjew um klare Aussagen
AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH
Präsident Dmitri Medwedjews dritte Rede zur Lage der Nation vor den Abgeordneten der Duma und den Senatoren des russischen Oberhauses war mit großer Spannung erwartet worden. Im Unterschied zu den Vorjahren drang in diesem Jahr so gut wie nichts über den Inhalt im Vorfeld an die Öffentlichkeit. Die strikte Geheimhaltung nährte Vermutungen, der Präsident könne im Georgiewski-Saal des Kreml eine Bombe platzen lassen.
Nicht zuletzt pflegte Dmitri Medwedjew seit seiner Amtsübernahme zumindest verbal das Image eines weltoffenen Modernisierers und hob sich dadurch von Ministerpräsident Wladimir Putin ab. Im kommenden Jahr stehen Dumawahlen an und die Frage muss entschieden werden, wer von beiden 2012 für das Präsidentenamt kandidiert.
Überdies machten Gerüchte die Runde, das Tandem aus Kremlchef und Premier geriete zusehends aus dem Rhythmus. Kurzum, eine Wahlkampfrede wurde erwartet, mit der sich der Amtsinhaber für eine weitere Kandidatur empfehlen würde.
Stattdessen widmete Medwedjew mehr als die Hälfte der Zeit den demografischen Problemen Russlands und der Sorge um die nachrückende Generation, versprach die Förderung kinderreicher Familien und eine Verbesserung der Gesundheitsprophylaxe.
Der Duktus des Vortrags und das Aufzählen konkreter Maßnahmen erinnerte an die ermüdenden Rechenschaftsberichte vom Alter gezeichneter Generalsekretäre der KPdSU. Nur einmal sprach der Staatschef vom Stillstand, konkrete Reformschritte benannte er jedoch nicht. Die Außenpolitik kam nur am Rande vor. Bei der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Raketenabwehrsystems seien die nächsten zehn Jahre entscheidend. Gelinge dieses bis dahin nicht, setze ein neues Wettrüsten ein, sagte Medwedjew. Der Zeithorizont dürfte niemanden wirklich beunruhigen.
Mit der Rede trat Medwedjew vor allem Spekulationen über sein Verhältnis zu Putin entgegen. Dissonanzen scheint es nicht zu geben. Nach dem Auftritt war denn auch klar, warum der Inhalt geheimgehalten wurde. Der Präsident hatte nichts zu sagen.