: Neue APO gegen Ämterreform
Vereint gegen Schwarz-Gelb: Industrieverbände kämpfen zusammen mit Umweltschützern gegen die Zerschlagung von Landesbehörden. Das Großprojekt Verwaltungsreform wackelt
VON MIRIAM BUNJES
Die große Reform soll Millionen sparen – und der Industrie langwierige Behördengänge. Trotzdem sitzen die neuen Gegner der von Schwarz-Gelb geplanten Verwaltungsumstrukturierung in den Vorständen der nordrhein-westfälischen Industrieunternehmen. Zusammen mit Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden wollen die NRW-Unternehmer verhindern, dass die staatliche Umweltverwaltung zerschlagen und damit erste Schritt der Großreform umgesetzt wird. „Der Behörden-Kahlschlag wird allen schaden und dem Land noch nicht einmal Geld bringen“, sagt Klaus Brunsmeier, Landeschef des Bunds für Umwelt und Naturschutz in NRW.
Ab 2007 soll es nach dem Willen der Regierung keine „Sonderbehörden“ mehr geben, betroffen sind vor allem Umweltbehörden. Ihre Aufgaben sollen die Kommunen übernehmen. Katastrophale Aussichten, finden immer mehr außerparlamentarische Akteure. „Kommunale Beamte sind mit dem Immissionsschutzrecht überfordert“, sagt Hans-Jürgen Mittelstaedt, Geschäftsführer des NRW-Verbands der Chemie-Industrie (VCI). „Wir müssen damit rechnen, dass Genehmigungsverfahren noch länger dauern.“
Jedes Unternehmen, bei dessen Betrieb Schadstoffe austreten, erhält seine Zulassung zur Zeit in einem der elf staatlichen Umweltämter. Deren Mitarbeiter sind auch für die Überwachung zuständig. „In zentralen Behörden gibt es viel mehr Fachwissen“, sagt Mittelstaedt. „Immissionsrecht ist kompliziert, dafür braucht man Erfahrung.“ In 54 verschiedenen kommunalen Behörden, die sich nicht austauschen, verpuffe das Erfahrungswissen, so der Chemielobbyist
Umwelt- und Verbraucherschützer sehen noch eine andere Gefahr. „Kommunen geraten mit dieser Aufgabe in einen Interessenkonflikt“, sagt Klaus Brunsmeier vom BUND. „Es ist für einen Bürgermeister schwierig, einem Chemieunternehmen, das Arbeitsplätze und Steuereinnahmen garantiert, eine wasserrechtliche Genehmigung zu verweigern.“Auch Helmfried Meinel von der Verbraucherzentrale NRW glaubt: „Umweltstandards werden von den Kommunen sehr viel lascher interpretiert werden als von einer staatlichen Behörde – aus der ganz egoistischen Angst um den eigenen Wirtschaftsstandort.“
Gemeindebund und Städtetag, Vertreter der 54 NRW-Kommunen, weisen solche Bedenken zurück und werben stattdessen mit größerer Bürgernähe im Umweltschutz. „Wir stehen voll hinter dem Jahrhundertprojekt Verwaltungsstrukturreform“, sagt Bernd Schneider, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Kein Wunder: Der Machtgewinn kostet die Städte nichts, das Geld für ihre neuen Aufgaben soll zu hundert Prozent aus dem Landeshaushalt fließen.
Genau deshalb kommt auch ein verwaltungswissenschaftliches Gutachten der Ruhruniversität Bochum zu einem vernichtenden Gesamtergebnis des schwarz-gelben Gesetzentwurfs: Mit Ersparnissen im Landeshaushalt sei nicht zu rechnen, da Aufgaben nur umgeschichtet würden. Stattdessen müsse man mit teuren Übergangslösungen rechnen, schreibt der Bochumer Politikwissenschaftler und Verwaltungsexperte Jörg Bogumil in seiner aktuellen Vorlage.