: Steinbrücks Schelte
Ex-Landesvater Peer Steinbrück streitet mit der NRW-SPD über die Reform der Unternehmenssteuer. Die Genossen hätten die Beschlüsse nicht richtig gelesen. Landespartei: Wir nehmen nichts zurück
VON MARTIN TEIGELER
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat seinem SPD-Landesverband eine Lehrstunde erteilt. Die Kritik der Rheinruhr-Genossen an seinem Konzept für die Unternehmenssteuerreform wies er zurück. Sein eigener Landesverband habe die Vorschläge offensichtlich nicht richtig gelesen, aber gleich Beschlüsse dagegen gefasst, sagte Steinbrück am Donnerstag Abend in Düsseldorf vor der Handelskammer.
Das von ihm und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) vorgelegte Konzept sei ein „ziemlich schlüssiges Werkstück“. Er sei sicher, „dass der SPD-Landesverband das auch noch merkt“, sagte der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident bei seinem Vortrag vor Unternehmern.
Die Vorsitzenden von Landespartei und Landtagsfraktion, Jochen Dieckmann und Hannelore Kraft, hatten sich dagegen für eine aufkommensneutrale Gestaltung der Reform ausgesprochen (taz berichtete). Beide Politiker gehören auch dem SPD-Bundesvorstand an. „Die vorgesehene Netto-Entlastung für Großunternehmen in Höhe von fünf Milliarden Euro ist den Menschen nicht vermittelbar“, kritisierte die Oppositionsführerin. An der Gegenfinanzierung müsse nachgearbeitet werden.
„Wenn den Bürgern Kostensteigerungen durch Erhöhungen der Mehrwertsteuer und der Krankenkassenbeiträge abgefordert werden, sind gleichzeitige Entlastungen für ‚die Großen‘– so wird das wahrgenommen –schwer zu verstehen“, sagte Kraft. „Es geht um die soziale Kompetenz der SPD. Sie muss hier Flagge zeigen.“ Auch nach Steinbrücks Schelte bleibt die Landespartei bei ihrer Position. „Wir haben nichts zurückzunehmen“, so ein NRW-SPD-Sprecher. Man werde weiter mit der Bundesregierung diskutieren.
Unmut herrscht in der Landespartei nicht nur über Steinbrück, sondern auch über den anderen Ex-SPD-Ministerpräsidenten: Wolfgang Clement. Der hatte sich im Focus skeptisch zu den Chancen der NRW-SPD bei der nächsten Landtagswahl 2010 geäußert. „Es wäre ein Wunder, wenn die SPD bei der nächsten Wahl wieder in die Regierung käme.“ Da dürfe man sich „keinerlei Illusionen machen“, wurde er zitiert. Nun verlangen Parteifreunde von Kraft, Clement zurechtzuweisen. „Man wird sich unterhalten, wenn man sich trifft – in aller Freundschaft“, so ein Sprecher der Fraktionsvorsitzenden.
„Die NRW-SPD verfolgt eine Strategie der Profilbildung“, sagt Karl-Rudolf Korte, Parteienforscher an der Universität Duisburg-Essen. Ein Jahr nach dem Machtverlust sei die Ex-Regierungspartei dabei, ihre Rolle als Opposition zu klären. Korte: „Das ist besonders schwierig angesichts der Ministerpräsidenten-Dominanz in der Ministerpräsidenten-Demokratie.“ Themen wie die Unternehmenssteuerreform seien gut geeignet für die Strategie der NRW-SPD, so der Politikwissenschaftler. Pauschale Steuersenkungen für Firmen seien nicht besonders populär.