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Archiv-Artikel

Volksshow ohne Volk

Als Kraft der „Mitte“ will sich die NPD beim Parteitag feiern – doch die Radikalisierung ist im vollen Gang

BERLIN taz ■ Zwei Jahre ist es her, dass die NPD auf ihrem Bundesparteitag in Thüringen öffentlich den Freundschaftspakt mit DVU und militanter Neonaziszene zelebrierte. Heute nun versammeln sich erstmals wieder die NPD-Delegierten aus dem ganzen Land – den letzten Meldungen zufolge voraussichtlich in einer Halle an der Trabrennbahn in Berlin-Mariendorf und damit erstmals in der Hauptstadt. Unabhängig vom Ort wirft das Treffen ein Schlaglicht auf die Machtverschiebung im rechtsextremen Spektrum.

Vor zwei Jahren noch war es eine Neuigkeit, dass mit Torsten Heise ein Kameradschaftsführer in den NPD-Bundesvorstand aufrückte. Inzwischen hat sich die NPD zu einer zentralen Aktionsplattform für Kader aus den „Freien Kameradschaften“ entwickelt. Ein Ende dieser internen Radikalisierung ist nicht in Sicht – auch wenn die NPD versucht, ein harmloses, bürgernahes Image von sich zu verbreiten.

Mit Thomas Wulff berief die Parteispitze inzwischen einen der wichtigsten Strippenzieher der militanten Neonaziszene in den Vorstand. Zu Dutzenden traten Kameradschaftsaktivisten der NPD bei, zwei von ihnen zogen jüngst auf dem NPD-Ticket in den Schweriner Landtag ein. Die Mitgliederzahl der NPD steigt, DVU und „Republikaner“ befinden sich im Sinkflug.

Zwar soll sich am Wochenende auch DVU-Chef Gerhard Frey als Gastredner beklatschen lassen. Ihm dürfte jedoch klar sein, dass mit dem Einfluss der Neonazis und dem Erstarken der NPD sein Gewicht in dem Bündnis schwindet. Frey und seine DVU sind in der Neonaziszene verpönt – und Frey selbst macht kein Geheimnis aus seinen Vorbehalten gegen den militanten NPD-Nachwuchs. Auch in der NPD ist der Kuschelkurs mit den jungen Neonazis nach wie vor umstritten, als Kritiker gelten vor allem ältere Funktionäre.

Doch von Flügelkämpfen soll die Öffentlichkeit am Wochenende nichts mitbekommen. Die NPD zieht ihre Parteitage traditionell als Propagandashows auf, und dieses Wochenende will sie sich als Kraft „Aus der Mitte des Volkes“ (Parteitagsmotto) zelebrieren. Journalisten dürfen nur einigen Schaufensterbeiträgen der Parteiprominenz lauschen, dann fliegen sie raus.

Unklar war bis gestern, welche Rolle der vermögende Hamburger Anwalt und NPD-Neuling Jürgen Rieger (zuletzt als mutmaßlicher Käufer eines Delmenhorster Hotels in den Schlagzeilen) künftig in der Partei besetzen wird. Laut dem NPD-Sprecher haben ihn „einige“ Kreisverbände als Parteivize vorgeschlagen. Allerdings habe Rieger offen gelassen, ob er antrete. Klar ist: Sollte der Neonazi-Anwalt in die Parteispitze aufrücken, würde dies für eine weitere innere Radikalisierung der NPD sprechen. ASTRID GEISLER