PRESS-SCHLAG
: Fertiger Männerklub

WM-VERGABE Der Fifa wird mittlerweile beinahe jede Schweinerei zugetraut

Die Entscheidung für Katar kann nur absolute Fußballnaivlinge überraschen

Theo Zwanziger will in die Fifa-Regierung. Wenn Franz Beckenbauer seinen Platz im Exekutivkomitee räumt, soll der DFB-Präsident für ihn nachrücken. Bis es so weit ist, muss er noch viel lernen über den Männerklub. Überrascht war Zwanziger vom Votum der Exekutive, die WM 2022 nach Katar zu vergeben. Kennt er die Fifa wirklich so schlecht? Wundert er sich wirklich darüber?

Dass sich unter den Oberhäuptern der Fußballfamilie ein paar besonders korrupte Brüder befinden, dürfte sich indes auch bis zum Boss des größten Mitgliedsverbandes der Fifa herumgesprochen haben. Für beinahe jede mögliche Entscheidung in Sachen WM-Vergabe lässt sich eine Verschwörungstheorie generieren: Der hat mit dem, weil der dem Geld versprochen hat, damit dieser nicht sagt, warum die anderen nicht wollen, dass ihre Stimme an jemanden verkauft wird, der nichts versprochen hat, was sich lohnt. Im Falle der WM-Vergabe nach Katar geht die Geschichte der großen Mauschelei wie folgt: Da erdreistet sich Mohammed Bin Hammam, der katarische Präsident der asiatischen Kontinentalföderation, eine Kandidatur um den Fifa-Vorsitz gegen Sepp Blatter anzukündigen, und prahlt dazu noch damit, dass ihn die ärmeren Verbände unterstützen würden, was niemanden wundert, weil es Bin Hammam ist, der die Gelder des Fifa-Entwicklungsprogramms Goal verteilt. Erst nachdem der Schweizer versprochen hat, Katar die WM 2022 zu schenken, zieht dieser seine Kandidatur zurück. Alle anderen Fifa-Mitglieder folgen Blatter, weil der seit Neuestem die Verbände an den immensen Gewinnen der Profitmaschine Fifa teilhaben lässt. Der Deal funktioniert, die WM findet in der Wüste statt, und Theo Zwanziger träumt vom Frieden im Nahen Osten: „Ich bin der Meinung, dass ein friedliches Fußballfest einen Beitrag zur politischen Stabilisierung in dieser Region leisten kann.“ Kaum einer, der die große Mauschelei bezweifeln würde.

Die Fifa weiß, dass sie kritisch beäugt wird. Sie kann sich bislang aber darauf verlassen, dass beinahe jede Kritik verstummt, sobald das große WM-Turnier angepfiffen ist. Dann wird in den Medien über die Fähigkeiten, Frauen, Tätowierungen oder sexuellen Vorlieben von Spielern und Trainern berichtet, und am Ende geht der als Sieger vom Platz, der im Finale mindestens ein Tor mehr geschossen hat als der Gegner.

Doch die Gerüchte über Mauscheleien, legale und illegale Absprachen sowie verdeckte Zahlungen erreichen auch schon den sportlichen Teil des Weltkonzerns Fifa. Als der Schiedsrichter im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel Irland gegen Frankreich ein Handspiel von Thierry Henry nicht geahndet hat, da kam schnell der Verdacht auf, dass dies keine zufällige Fehlentscheidung gewesen ist. Eine WM ohne das große Frankreich hätte für die Fifa zweifelsohne weniger Profit bedeutet. Dazu scheint ganz gut zu passen, dass sich die Fifa lange gegen jede Art von Videobeweis oder Torlinientechnik gesperrt hat. Sie wird sich ja kaum der Möglichkeit zur Manipulation berauben, mag so mancher denken. So fertig ist die Fifa mittlerweile, dass über derartige Vermutungen schon lange nicht mehr gelacht wird.

Die Entscheidung für Katar kann also nur absolute Fußballnaivlinge (Zwanziger) überraschen. Sensationell wäre einzig die WM-Vergabe nach Belgien und Holland gewesen. Die haben in ihrer Präsentation für ein grünes Turnier geworben, bei dem die Fans mit dem Rad von Stadion zu Stadion fahren sollten. Nicht das leiseste Gerücht über Absprachen oder Bestechung wurde laut. Kein Wunder, dass die Bewerbung chancenlos war.

ANDREAS RÜTTENAUER