: Kaum Aussicht auf Streubombenverbot
Zu wenig Unterstützung für Schwedens Initiative bei Genfer Staatenkonferenz. Deutschland laviert
GENF taz ■ Auch nach dem jüngsten massiven und folgenreichen Einsatz von Streubomben im Krieg zwischen Israel und den Hisbollah-Milizen im Südlibanon, gibt es unter den Regierungen der 192 UNO-Staaten keine ausreichende Bereitschaft für ein Verbot dieser Waffen. Das zeigt sich bei der 3. Überprüfungskonferenz für den „Vertrag über Einsatzbeschränkungen bestimmter konventionelle Waffen“ (Cluster Munition Coalition, CCW) von 1980, die bis Ende dieser Woche in Genf stattfindet.
Bislang unterstützten erst 17 Staaten die zu Konferenzbeginn am letzten Dienstag vorgelegte Initiative Schwedens für ein Verbotsabkommen in Form eines Zusatzprotokolls zum CCW-Abkommen. Für Verhandlungen über eine solches Zusatzprotokoll werben in Genf auch die internationale CCW, der 180 Nichtregierungsorganisationen aus 50 Staaten angehören. Als „völlig unzureichend“ bewertet die Koalition ein gestern in Kraft getretenes Protokoll, das Staaten nur verpflichtet, „explosive Reste“ von im Krieg verschossener Munition künftig „aufzuräumen“. Der CCW-Vertrag von 1980 untersagt oder beschränkt den Einsatz solcher konventionellen Waffen,die „besonders schwerwiegende“ Verletzungen hervorrufen oder „unterschiedslos“ Zivilisten genauso oder gar noch stärker als Soldaten betreffen. Da in dem Abkommen nur jene Waffen- und Munitionstypen namentlich erwähnt sind, die 1980 bereits existierten, geht die unter den 192 Regierungen heute noch vorherrschende Rechtsauffassung davon aus, dass alle seit 1980 erst entwickelten Waffen und Munitionstypen hinsichtlich Einsatz, Herstellung und Vertrieb keinerlei Restriktionen unterliegen – selbst wenn sie die Kriterien des CCW erfüllen.
So argumentierten die israelischen Streitkräfte, die im Libanonkrieg rund 4 Millionen Streubomben verschossen. Davon blieben rund 1 Million unexplodiert auf libanesischem Territorium liegen, die nun eine erhebliche Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen. Sie verhindern die Rückkehr von rund 200.000 Kriegsflüchtlingen in ihre Häuser. Rund 150 Menschen wurden im Südlibanon in den ersten drei Monaten nach Beginn der Waffenruhe am 14. August bereits durch Streubomben getötet. Die Zahl der verstümmelten Personen ist offiziell nicht bekannt.
Die Regierungen der drei ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats, USA, China und Russland, vertreten bislang dieselbe Rechtsauffassung wie die israelische Regierung. Die EU ist zwar bislang nicht bereit zu formellen Verhandlungen über ein CCW-Zusatzprotokoll zum Verbot von Streubomben, plädiert aber für eine verstärkte internationale „Diskussion“. Diese Haltung vertritt auch die Bundesregierung, obwohl der Bundestag im September in einer parteienübergreifenden Resolution „Verhandlungen“ über ein Verbot gefordert hatte.
Die EU-Mitglieder Österreich und Irland unterstützten die Initiative Schwedens für Verbotsverhandlungen. Das EU-Mitglied Belgien hat Einsatz, Produktion und Vertrieb von Streubomben sogar in einem nationalen Gesetz ausnahmslos verboten, Norwegen hat ein Moratorium verhängt. Sollte es in Genf bis zum Freitag nicht zu einem Konsens über die Aufnahme von Verbotsverhandlungen kommen, werden die Cluster Munition Coalitions der Nichtregierungsorganisationen wahrscheinlich ein entsprechende Initiative außerhalb des UNO-Rahmens lancieren. Auf diese Weise und mit besonderer Unterstützung Kanadas sowie des IKRK ist zwischen 1996 und 1998 auch das internationale Abkommen zum Verbot von Antipersonenminen entstanden, das rund 150 Staaten ratifiziert haben. ANDREAS ZUMACH