: Der Zoff hat auch sein Gutes
VON CLAUDIUS PRÖSSER
Stell dir vor, es ist Christopher Street Day, und keiner tanzt mit: Dem Verein, der die Parade der queeren Community Berlins organisiert, gehen gerade die Truppen von der Regenbogenfahne. Prominente Einzelpersonen, die Aids-Hilfe, der LSVD sowie die Queer-AGs von Grünen, Sozis und CDU haben dem CSD e. V. die Gefolgschaft aufgekündigt und demonstrieren auf einem Parallel-CSD.
Unbeliebt macht sich der Vorstand des CSD e. V. durch eine Politik, die als selbstherrlich und undemokratisch wahrgenommen wird. Der Verein wurde einmal von der queeren Community gegründet, um die ins Immense wachsende Parade zu organisieren – jetzt will er sich von dieser Community nichts mehr sagen lassen. Er hat dem Kind einen neuen Namen („Stonewall“) verpasst und sich diesen auch noch schützen lassen. Den Protest der Szene ignoriert er mit dem Hinweis, formal sei alles völlig korrekt gelaufen.
Wo sind hier die Inhalte?
Für Außenstehende ist der Streit schwer durchschaubar. Um welche Inhalte geht es eigentlich? Muckt hier die Politfraktion auf gegen die Spaßhaber? Aber es gibt keine solche Kluft. Der CSD e. V. begründet sein Handeln damit, dass er das Event so vor kommerzieller Überausbeutung schütze und politischer mache. Aber auch der Ausweich-CSD zeigt sich politisch unbequem mit seiner Demo-Route zu den Botschaften homophober Regierungen und der CDU-Zentrale.
Insofern hat der Zoff ja sein Gutes: Am Ende werden – insgesamt – nicht weniger auf die Straße gehen, eher mehr. Und die oft beklagte Entpolitisierung des CSD ist erst einmal Geschichte.