Bremens neue Busse

In Bremen fahren demnächst Busse mit einer Abgas-Wäsche an. Bundesweit einmalig. Ein polnisches Unternehmen macht es möglich

VON KLAUS WOLSCHNER

David gegen Goliath, das gibt es noch in unserer Welt der totalen Globalisierung. Busse für den Öffentlichen Nahverkehr bieten Firmen wie Daimler-Chrysler oder MAN an. Aber in Bremen kommen in diesen Tagen neun Gelenkbusse aus Polen an, hergestellt von dem Familienunternehmen Solaris aus der Nähe von Posen. Und die global Player staunen: Die neuen Busse erfüllen EU-Abgasnormen, von denen die anderen nur träumen. „EEV-Standard“ ist der Fachbegriff, und das ist mehr als „Euro 5“, was die EU für Neuzulassungen ab 2009 fordert. Eine zusätzliche Abgasreinigung macht es möglich, die die Motorenfirma DAF anbietet. Die Bremer Busse sind deutschlandweit die ersten, die mit dieser Technik fahren werden.

„Wir sind eine deutsches Familienunternehmen“, sagt Solange Olczewska in etwas polnisch eingefärbtem Deutsch. Sie ist die Seele des Betriebes, gelernte Zahnärztin, heute „Vize-Direktorin“ und für Export und für die Kommunikation zuständig. Ihr Mann Krysztof hat Maschinenbau gelernt, er ist der technische Kopf. „Umwelt ist für uns sehr wichtig“, sagt Olczewska. Zu Hause ist ihr Hobby der Bio-Garten, da laufen Hühner aus einer beinahe ausgestorbenen polnischen Rasse herum, die cholesterinfreie Eier legen.

Der für Verkehr zuständige Bremer Bausenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) guckte etwas überrascht, als er als Willkommens-Geschenk ein Sechserpack dieser Eier überreicht bekam. Aber dem Charme der Olczewska konnte auch er sich nicht entziehen.

Dass das Ehepaar Olczewska ein nun europaweit agierendes Busunternehmen aufgebaut hat, ist fast eine deutsch-polnische Tellerwäscher-Geschichte.

Krysztof Olczewski hatte eine kleine Autowerkstatt und war an jenem 13. Dezember 1981 in Westberlin, als der polnischen General Jaruzelski das Kriegsrecht ausrief und die Gewerkschaft Solidarnosz in den Untergrund trieb. Er hatte ein Angebot der Busfirma Neoplan in der Tasche, rief kurzerhand seine Frau an und sagte, sie müsse nachkommen. Nach der Wende kehren die Olczewskis nach Polen zurück, er eröffnet 1994 auf eigenes Risiko eine Handelsvertretung für Neoplan in Polen. Sie war inzwischen Oberärztin in der Uniklinik in Berlin – und kündigte, um in das Unternehmen ihres Mannes einzusteigen.

Der erste Niederflurbus in Warschau kam von Neoplan. Und dann kam ein Angebot der Stadt Posen: 72 Niederflurbusse wollte die Stadt, den Zuschlag sollte jemand bekommen, der eine Busfabrik in Posen aufbauen würde. „Damals haben wir, zum Glück, nicht lange nachgedacht – wir waren einfach hoch motiviert und von unserem Traum besessen“, sagt Olczewski heute. Für einen kleinen Auftrag eine ganze Fabrik eröffnen – im Nachhinein wundert er sich über seinen Mut.

Aber heute fahren in allen polnischen Städten die Solaris-Busse, und auch auf der deutschen Landkarte hat er gut zwei Dutzend Fähnchen. Inzwischen ist Tochter Malgorzata, die erst Fotodesign studierte und in den Journalismus wollte, ins Familienunternehmen eingestiegen, sie leitet das Berliner Büro.

„Wir arbeiten ständig“, beschreibt ihre Mutter den Familienalltag. Wenn die Olczewskisis im Urlaub dem Stress entflohen sind, werden Strategien besprochen. Als Zahnärztin musste Olczewska früher „behandlungsunwillige Kinder“ überzeugen, heute kaufunwillige Kunden, sagt sie über ihre Arbeit. Der Erfolg des Unternehmens tröstet sie etwas darüber hinweg, dass sie auf ihre eigene Karriere verzichtet hat. „Wir haben selber nicht geglaubt, dass es so erfolgreich wird.“ Das System sei eben nicht so teuer wie die mit Erdgas betriebenen Busse, und die Hybrid-Technik, die die Bremsenergie in Strom umwandelt, ist noch nicht konkurrenzfähig.

Was aus den EEV-Filtern der Busse herauskommt, ist „fast saubere Luft“, schwärmt sie – sauberer sogar als die Luft, die die Menschen an stark umweltbelasteten Ecken einer Stadt einatmen und die in den Bus hinein gesogen wird. Mit dem Bremer Vorzeigeprojekt will sie nun auch andere Städte davon überzeugen, den technologischen Vorsprung aus Posen zu nutzen.