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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Allein der Name zählt

SPORTLERIN DES JAHRES Britta Steffens holt den Titel 2010 – obwohl sie fast gar nicht geschwommen ist

„Fans“ nehmen es eben nicht so genau mit den Jahresbilanzen ihrer Lieblinge

Vor einem Monat bestritt sie ihren ersten Wettkampf in diesem Jahr. Hernach bekannte sie, dass sie wegen der kurzen Trainingsphase davor ganz schön „herumgerudert“ sei. Die Rede ist von Berlins Sportlerin des Jahres 2010. Am Samstagabend wurde in feierlichem Rahmen bekannt gegeben, dass Britta Steffen bei einer Rekordbeteiligung von mehr als 23.000 abgegebenen Stimmen zur Besten gewählt worden war.

Etwas unangenehm dürfte der deutschen Freistilkönigin diese Ehrung im Neuköllner Estrel Hotel vor 2.500 Gästen schon gewesen sein. Auch wenn sich die Olympiasiegerin von Peking jüngst bei den unbedeutenden Kurzbahneuropameisterschaften zwei Bronzemedaillen erschwomm, nutzte sie dieses Jahr verletzungsbedingt überwiegend zur beruflichen Fortbildung jenseits des Schwimmbeckens. Aber gewählt ist eben gewählt.

Das absurde Resultat von Berlins 32. Wahl zum Sportler des Jahres überrascht aber nicht wirklich. Schon immer gaben bei dieser Wahl überwiegend „Fans“ ihr Votum ab. Die nehmen es eben nicht so genau mit den Jahresbilanzen ihrer Lieblinge. Und auch die Veranstalter, die zuständig für die Kandidatenaufstellung sind, richteten sich in der Vergangenheit opportunistisch nach den Popularitätswerten der jeweiligen Sportler.

Im vorigen Jahr etwa stand bis kurz vor dem Abstimmungsende eine Berliner Sportlegende, die dopinggesperrte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, auf der Kandidatenliste. Erst im letzten Moment, als der Internationale Sportgerichtshof ihre Sperre bestätigte, strich man ihren Namen vom Stimmzettel.

Vor der Wahl zum Sportler des Jahres kann sich wirklich niemand sicher wähnen. Der Boxer Arthur Abraham bat deshalb bei der diesjährigen Entscheidung darum, von der Kandidatenliste genommen zu werden. Zwei Boxkämpfe hatte er in diesem Jahr bestritten und beide schmählich verloren. Der Sieger der Berliner Sportlerwahl von 2007, 2008 und 2009 musste ernsthaft damit rechnen, dennoch aufs Podium gewählt zu werden. Der einzige Ausweg, den er angesichts seiner unerbittlichen Fans sah, war der freiwillige Rückzug.

JOHANNES KOPP