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Archiv-Artikel

„Die V-Leute in der NPD sind überflüssig“

Der Verfassungsschutz wusste über den Veranstaltungsort des NPD-Bundesparteitags erst sehr spät Bescheid, gibt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu. Er spricht sich für einen Abzug aller V-Leute aus der rechtsextremen Partei aus

taz: Herr Körting, warum hat der Berliner Verfassungsschutz nicht frühzeitig über den geplanten Parteitag der NPD am Samstag informiert?

Ehrhart Körting: Nach meinen Erkenntnissen hat die NPD das Fontane-Haus in Reinickendorf erst vor kurzem in Erwägung gezogen. Daraufhin wurden alle Beteiligten informiert.

Im Falle des Ausweichorts, der Trabrennbahn in Tempelhof, hat die NPD bereits im Juni einen Vertrag geschlossen. Warum hat der Berliner Verfassungsschutz davon nichts gewusst?

Wann der offensichtlich im Sommer abgeschlossene Mietvertrag den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern bekanntgeworden ist, kann ich nicht beantworten. Dem Berliner Verfassungsschutz ist diese Information erst kurz vorher bekanntgeworden.

Sie sagten, um die Verfassungswidrigkeit der NPD nachzuweisen, brauchen Sie keine V-Leute. Ist die Arbeit der Verfassungsschützer überflüssig?

Die NPD hat sich in den letzten Jahren dermaßen offen neonazistisch gebärdet. Ich brauche nur an den Wahlplakaten vorbeifahren und erkenne, dass sie verboten gehört.

Warum sind Sie für ein Verbot der NPD?

Wir haben uns im Grundgesetz seinerzeit für die wehrhafte Demokratie entschieden. Das bedeutet, dass wir Organisationen, die außerhalb der Verfassung stehen, nicht nur politisch, sondern auch administrativ bekämpfen müssen. Eine Partei, die rassistisch und antisemitisch ist und durch das Verhalten ihrer Anhänger die freiheitliche Grundordnung zerstören will, ist verfassungswidrig.

Das sehen Ihre Kollegen aus Bund und anderen Bundesländern anders.

Ich muss mir doch bloß die Berichte meiner 15 Länderkollegen für Verfassungsschutz ansehen. In allen Berichten gelangt man zur Feststellung, dass die NPD verboten gehört.

Trotzdem ist ein Verbotsverfahren 2003 gescheitert.

Wir sind nicht gescheitert, weil die NPD verfassungskonform ist, sondern weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Wenn es eine nicht bekannte Zahl von NPD-Informanten gibt, die den Verfassungsschutz mit Informationen käuflicher Art versorgen, dann ist schwer auseinanderzuhalten, was der Partei zuzurechnen und was provoziert ist. Die Konsequenz sollte daher sein, dass man diese V-Leute abzieht.

Wirkt es nicht hilflos, wenn Sie auf Verbote setzen?

Wir brauchen die Landesprogramme gegen Rechtsextremismus, wir brauchen Aufklärung an den Schulen. Mit dem Verbot zerschlage ich aber die Organisation – und reiße ihr den Schleier der Legalität weg.

INTERVIEW: FELIX LEE