: Stresstest für die Grünen
PARTEITAG Ihr Umgang mit Stuttgart 21 könnte für Baden-Württembergs Grüne wahlentscheidend sein. Stolperfallen drohen überall
STUTTGART taz | Auf ihrem Landesparteitag in Bruchsal haben die baden-württembergischen Grünen am Wochenende eine Resolution gegen Stuttgart 21 verabschiedet. Mit nur einer Enthaltung fordern die rund 200 Delegierten damit unter anderem einen Bau- und Vergabestopp, bis der Stresstest über das Bahnprojekt vorliegt. Bei den Reden jedoch klangen unterschiedliche Ansichten zum Schlichterspruch durch. Cem Özdemir, der Grünen-Bundesvorsitzende, sagte, seine Partei werde den Schlichterspruch akzeptieren. Dieser sei nur auf den ersten Blick enttäuschend. „Bündnis 90/Die Grünen akzeptieren den Schlichterspruch, aber sie werden alles dafür tun, damit das, was im Kleingedruckten steht, eins zu eins realisiert wird.“ Dem widersprach der Landtagsabgeordnete Werner Wölfle, der an der Schlichtung teilgenommen hatte: „Wir werden nicht dafür kämpfen, dass das umgesetzt wird – nicht eins zu eins und nicht zwei zu eins.“
Anschließend jedoch wurden inhaltliche Differenzen dementiert. Özdemir habe sich nur unglücklich ausgedrückt, heißt es. Özdemir selbst versuchte, in einer schriftlichen Stellungnahme für Klarheit zu sorgen: „Ein Bahnhofsprojekt, das den Zugverkehr durch Engpässe ins Chaos stürzt, ist mit uns nicht machbar. Verbesserungen an Stuttgart 21 sind zwingend, wie es auch der Schlichterspruch verlangt. Aber die Lösung dieser planerischen Probleme hat finanzielle Konsequenzen, so dass die Kosten ins Unermessliche steigen.“
Doch auch wenn es nur eine unklare Formulierung Özdemirs gewesen sein mag, es macht das Problem der Grünen deutlich: Einerseits wollen sie sich die Verbesserungen an Stuttgart 21, die Heiner Geißler in seinem Schlichterspruch angeregt hat, als Erfolg anrechnen lassen. Andererseits sind sie unverändert gegen das Milliardenprojekt und hoffen, dass über ebendiese Verbesserungen das Projekt aus finanziellen Gründen noch gestoppt werden kann.
Dies differenziert nach außen zu verkaufen, bezeichneten Grüne bereits unmittelbar nach dem Schlichterspruch als schwierig – und scheint bereits auf dem Parteitag schiefgegangen zu sein.
Unterdessen schloss der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Winfried Kretschmann, erneut eine Koalition mit der Linkspartei nach der Landtagswahl im März nicht aus. Seine Gesprächsbereitschaft hatte er bereits vor wenigen Tagen unterstrichen. „Es gibt keine Ausschließeritis“, sagte Kretschmann. Ein anderes Verhalten sei in einem 5-Parteien-Parlament gar nicht möglich. Auch sei Kretschmann bereit, mit Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) zu reden.
Der Generalsekretär der baden-württembergischen CDU, Thomas Strobl, sprach den Grünen hingegen die Regierungsfähigkeit ab. „Noch deutlicher können es die Grünen kaum machen, dass sie verantwortungslos und unzuverlässig sind“, sagte er. Die Grünen selbst hätten Geißler als Schlichter ins Gespräch gebracht. „Und jetzt, weil ihnen sein Schlichterspruch nicht gefällt, tun sie so, als sei nichts gewesen und beharren stur und starr auf ihren Maximalforderungen“, sagte Strobl.
NADINE MICHEL