: Hohe Kosten, wenig Nutznießer
Manche Erwerbslose würden bei einer Reform des Arbeitslosengeldes I nach Rüttgers’ Vorstellungen mehr Geld erhalten als bisher – einige Betroffene bekämen aber auch weniger. Und: Die Koalition denkt derzeit über ganz andere Härten für Hartz-IV-Empfänger nach
■ Was bedeuten die Vorschläge des CDU-Ministerpräsidenten Rüttgers zum Arbeitslosengeld I konkret für die Betroffenen? Derzeit bekommen Erwerbslose maximal 12 Monate lang Arbeitslosengeld I (ALG I). Dann sacken sie auf ALG II, auch „Hartz IV“ genannt, ab. Nur Erwerbslose, die älter als 55 Jahre sind, erhalten 18 Monate lang ALG I. Geht es nach Rüttgers, sollen Arbeitnehmer, die 15 Jahre lang eingezahlt haben, generell 15 Monate lang ALG I bekommen. Nach 25 Jahren soll sich der Anspruch auf 18 Monate verlängern, bei über 40 Jahren auf 24. Für viele Ältere, die nicht so lange durchgängig geackert haben, brächte eine Umsetzung allerdings finanzielle Nachteile: Wie es im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heißt, hat laut einer Hochrechnung bisher die Hälfte aller Arbeitslosen über 55 Jahren Anspruch auf 18 Monate ALG I. Bei einer Umsetzung des Rüttgers-Vorschlags würde dieser Kreis auf 40 Prozent schrumpfen.
■ Ist der Vorschlag überhaupt finanzierbar? Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit Mehrkosten von 700 Millionen bis 1 Milliarde Euro, die durch das verlängerte ALG entstünden. Dieses Geld müssten durch Kürzungen, etwa bei den Leistungen für die Jüngeren, ausgeglichen werden. Nicht nur die SPD, auch große Teile der CDU gehen daher auf Distanz zum Rüttgers-Vorschlag.
■ Welche Pläne hat die Union ansonsten zur ALG-Revision? Es gibt ein Papier einer Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der unionsgeführten Länder zu Neuregelungen, die besonders für die Empfänger von ALG II erhebliche Nachteile brächten. Die Union will nämlich Eltern und Kinder wieder gegenseitig unterhaltspflichtig werden lassen. So müsste beispielsweise der 30-jährige verdienende Sohn für seinen 55-jährigen Vater zahlen, wenn dieser Leistungen nach Hartz IV beantragt. Die Vorschläge der Union entsprächen der alten Regelung im Sozialhilferecht. Diese stand aber früher stark in der Kritik, weil sie die „verschämte“ Armut der Älteren beförderte. SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering hat sich bereits heftig gegen diese wechselseitige Unterhaltspflicht gewandt. Die Chancen, dass der Vorstoß umgesetzt wird, sind also derzeit gering.
■ Welche Revision von Hartz IV könnte demnächst tatsächlich kommen? In der gemeinsamen Arbeitsgruppe der Koalition zur Beschäftigungspolitik herrscht Einigkeit darüber, dass man die Hinzuverdienstgrenzen für die Empfänger von ALG II wieder enger fassen will. Derzeit kann ein Hartz-IV-Empfänger von einem Verdienst von 400 Euro für einen Minijob rund 160 Euro behalten, der Rest wird auf das ALG II angerechnet. Die Union schlägt vor, bei einem Minijob den gesamten Verdienst bis auf einen Grundfreibetrag von 40 Euro vollständig auf das ALG II anzurechnen und erst bei darüberliegendem Verdienst wieder höhere Freibeträge einzuräumen. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hat nach einer Expertenanhörung erklärt, er könne sich vorstellen, dass die ersten 200 Euro eines Zusatzverdienstes voll auf das ALG II angerechnet werden. Die Entscheidung der Koalitionsarbeitsgruppe über diesen Punkt soll am 21.November fallen.
BARBARA DRIBBUSCH