: Schuld hat nur ein Mechaniker
FRANKREICH Für den Absturz einer Concorde 2002 bei Paris mit 113 Toten macht das Gericht die US-Fluglinie Continental Airlines verantwortlich
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Zehn Jahre nach dem Absturz eines zivilen Überschallflugzeugs Concorde der Air France in Gonesse bei Paris haben die Richter über die Verantwortung entschieden. Schuldig im strafrechtlichen Sinne ist ihnen zufolge die US-Fluggesellschaft Continental, weil eine ihrer Maschinen auf der Startbahn von Paris-Roissy kurz zuvor eine „Lamelle“ aus Metall verloren hatte. Dieses Teil ließ einen Reifen des Fahrwerks der anschließend startenden Concorde platzen. Die wegkatapultierten Gummistücke beschädigten das Treibstoffreservoir des Jets, der daraufhin in Brand geriet und nur wenige Minuten nach dem Start abstürzte. Mit einer solchen verhängnisvollen Kettenreaktion war schon sehr früh von Air France und den offiziellen Unfallexperten der Hergang der Katastrophe vom 25. Juli 2000 geschildert worden. Beim Absturz auf ein Hotel verloren 113 Menschen das Leben, die Mehrheit von ihnen Passagiere aus Deutschland.
Beim Prozess im letzten Frühling hatten die Vertreter von Continental, ebenfalls mit Gutachten und Zeugenaussagen, mit einer wesentlich anderen Version aufgewartet, welche die amerikanische Gesellschaft von jeder Verantwortung freisprechen sollte. Demzufolge habe die Concorde bereits 700 Meter vor der Stelle, wo sie über das fragliche Metallteil aus Titan rollte, Feuer gefangen. Diese ebenfalls plausible klingende Erklärung wurde dem Gericht im Verlauf der viermonatigen Verhandlungen sogar in einer sehr anschaulichen 3D-Animation vorgeführt. Überzeugt hat dies die drei Richter des Strafgerichts von Pontoise im Norden von Paris aber nicht. Nach einer sechsmonatigen Beratung kommen sie in ihrem Urteil zum Schluss, dass es im strafrechtlichen Sinne nur einen einzigen Verantwortlichen gibt: einen Mechaniker der amerikanischen Gesellschaft, der in Houston das Titanstück unsachgemäß an der Continental-Maschine angebracht hatte. Er wurde darum zu fünfzehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Sein Arbeitgeber Continental soll der Air France eine Entschädigung von einer Million Euro bezahlen und für den von den Versicherungen an die Angehörigen der Opfer entrichteten Schadenersatz aufkommen.
Das europäische Luftfahrtunternehmen EADS, als Nachfolger des ehemaligen Concorde-Herstellers, muss ihrerseits 30 Prozent der zivilrechtlichen Forderungen übernehmen. Die französischen Konstrukteure und der damalige Verantwortliche der Luftfahrtbehörde haben nach Ansicht der Richter geringfügige Nachlässigkeiten begangen, tragen aber keine strafrechtliche Schuld. Der Anwalt der Continental Airlines, Olivier Metzner, sieht in diesem Richterspruch ein chauvinistisches Urteil, das französische Interessen in Schutz nehme. Er kündigte an, dass Continental Berufung gegen das Urteil einlegen werde.