PRESS-SCHLAG
: Totalitäre Neutralisten

BLAMAGE Der DFB deckt eine Anti-Faschismus-Losung auf St. Pauli ab und erntet dafür reichlich Spott und Häme

Neutralisieren. Wie passend die Wortwahl des Deutschen Fußballbunds (DFB) für seine wohl beispiellose Aktion in Hamburg doch wieder war. Beim Training der deutschen Nationalmannschaft am Millerntor in St. Pauli trat der größte nationale Sportverband der Welt in Aktion und befreite das Domizil der linken Fußballfreunde vom Antifaschismus. So viel Neutralität muss anscheinend sein. Der im Stadion an das Gemäuer gepinselte Schriftzug „Kein Fußball den Faschisten“ wurde halb abgeklebt – fortan war nur noch „Kein Fußball“ zu lesen.

Der DFB erklärte sich schlüssig via Twitter: „Das #Millerntor wurde neutralisiert. Das heißt, dass es frei von Werbung gemacht wird, aber auch von politischen Äußerungen.“ Da trainierten die Herren um Joachim Löw also beim einzigen deutschen Klub mit einem derart linken Selbstverständnis in der Fanszene, und dann das: Der DFB, der erst am Samstag mit dem Verein das kurzfristige Training abgesprochen hatte, verbannte nicht nur sämtliche Sponsorenschriftzüge aus dem Stadion, sondern eben auch das groß an der Gegengerade prangende Verdikt.

Am Montagabend folgte ein veritabler Shitstorm. Am Dienstagmittag – nachdem der DFB den Tweet entfernt hatte – kam man im Verband doch noch zu der Einsicht, dass eine Stellungnahme sinnvoll wäre. Jens Grittner, der Pressesprecher der Nationalmannschaft, erklärte gegenüber der taz: „Ich kann den Ärger der Fans nachvollziehen, es ist eine Entscheidung, die man sicher auch anders hätte treffen können. Es ist auf der anderen Seite aber auch so, dass wir jede Möglichkeit der Fehlinterpretation verhindern wollen – in diesem Fall in der Bildsprache. Es hätte Fotos geben können, die das Nationalteam zeigen, dahinter aber einfach nur das Wort ‚Faschisten‘. Das wollten wir vermeiden.“

Spötter können nun dafür im Netz über eine allzu naheliegende Bebilderung eines möglichen Vorrundenaus bei der WM frohlocken, schließlich war der Verband so freundlich gewesen, den Slogan nicht in Gänze zu verdecken: „Kein Fußball“, und davor Jogis trainierende Jungs, das würde sich doch gut zu einem 0:1 gegen die USA machen.

Es ist wohl nur in seiner Unverfrorenheit überraschend, wie der Verband, der mit Slogans wie „Zeig Rassismus die Rote Karte“, „Wir sagen nein zu Rassismus“ und „Fußball für Toleranz und Integration“ stetig Imagepolitur betreibt, sich im Stadion des FC St. Pauli aufführt. Es ist dem DFB eben wichtig, wer spricht: Neben dem „Nein zu Rassismus“ muss schon schön hegemonial das DFB-Logo prangen – kommt der gleiche Slogan von diesen schrägen linken Ultras, ist das nicht so fein. Es geht eben auch um die Kommunikationsherrschaft.

„Kein Millerntor dem DFB“, lauteten entsprechend weitere Aufforderungen in den Foren, vor allem von Fans des FC St. Pauli. Die Vereinsführung brachte indes in einer Presseerklärung ihre Verwunderung zum Ausdruck. Für das Präsidium stellten die Worte weniger eine politische Botschaft dar, als stünden sie vielmehr für „Werte, die gesellschaftlicher Konsens sein sollten und nicht nur am Millerntor gelebt werden sollten“. Dem DFB könnte man indes zugute halten, dass er Umsonstwerbung für die Aktivisten von St. Pauli leistete – wenngleich natürlich unfreiwillig. Die „Kein Fußball den Faschisten“-Losung kennt jetzt jeder.

Als schlechter Gast zeigt sich der DFB ja nicht zum ersten Mal: Wenn er sich im brasilianischen Santo André gerade ein eigenes Trainingsgelände baut, weil nichts gut genug ist, so ist dies auch nicht gerade eine höfliche Geste. Beim DFB kann man nur hoffen, dass hier wie dort schnell Gras über die Angelegenheit wächst. JENS UTHOFF