Drei Hochzeiten, ein Bräutigam

MULTIKULTI-KOMÖDIEN Hilfe, ich heirate einen Deutschen! Im deutschen Film wird längst quer durch die Kulturen geheiratet. Das spiegelt den kitzligen Stand der amourösen Alltagsintegration

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Es ist der Ernstfall der Integration: den neuen Partner den eigenen Eltern vorzustellen und zu erklären, man wolle heiraten. Zumal, wenn dieser Partner anderer Herkunft ist als man selbst. Gerade weil dieser Akt so heikel, rituell und peinlich ist, bildet er den besten Stoff für Komödien.

Mit Filmen wie „Evet, ich will“ (2008), „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ (2009) und „Hochzeitspolka“ (2010) versuchte zuletzt mindestens eine Komödie pro Jahr, das deutsche Integrationsvermögen humoristisch auf die Probe zu stellen. Lässt man mal beiseite, dass deutsche Komödien selten den Witz ihrer US-Vorbilder erreichen und die oft erhobene Forderung, dass Lachen dann am besten sei, wenn es im Hals stecken bleibe, eher eine typisch deutsche Humorlosigkeit belegt, dann liefern diese Filme ideales Anschauungsmaterial für die kitzlige Lage der deutschen Multikultigesellschaft.

Wohlmeinende Ignoranz

All diesen Filmen gemein ist, dass sich die 68er-Elterngeneration dabei als leichtestes Ziel für Scherze aller Art erweist. Ob in „Evet, ich will“ die progressive Mutter beim ersten Besuch bei den türkischen Brauteltern ungebeten ein Kopftuch trägt oder ob die Toscana-begeisterten Eltern in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ das Dolce far niente, das süße Nichtstun, als typisch italienisch loben – das sich hinter vorgeblicher Toleranz oft völlige Ignoranz verbirgt, lässt sich gewinnbringend karikieren. Damit liegt man ganz auf der Linie eines gesellschaftlichen Diskurses, der gerne die „Positivklischees“ angeblicher „Multikulti-Enthusiasten“ aufs Korn nimmt.

Auch wenn der Bräutigamsvater in „Hochzeitspolka“ Polen als „immer noch wildes Land“ bezeichnet, tut er das selbstverständlich mit einer Miene, die es keineswegs böse meint. In solchen Momenten der nationalen Selbstgeißelung, in denen die bemühte Weltoffenheit der deutschen Nachkriegsgeneration als von Vorurteilen durchsetzt entlarvt wird, sind diese Komödien gewissermaßen am meisten bei sich. Wo sie fremdes Terrain betreten, es also um die Vorurteile der anderen geht, wird der Ton dagegen schnell betont harmlos – oder es ist gleich ganz Schluss mit lustig. Fast pädagogisch geht es etwa zu, wenn Lino Banfi in „Maria, ihm schmeckt’s nicht!“ als Brautvater von den erlittenen Demütigungen als Gastarbeiter in der frühen BRD erzählt. Die mit viel Sinn für schwarzen Humor geschriebenen Szenen in „Hochzeitspolka“, in denen das verzerrte Deutschenbild der Polen karikiert wird, gehen dagegen leider am hiesigen Publikum vorbei, weil kaum jemand weiß, wie stark Faschismus und Zweiter Weltkrieg bei unseren östlichen Nachbarn noch nachwirken.

Neben diesen Aspekten fallen noch zwei Dinge ins Auge: Zum einen, dass in allen drei Filmen ein Paar im Mittelpunkt steht, dessen männlicher Teil deutsch und dessen weiblicher Teil ausländischer Herkunft ist. Zum anderen, dass gleich zwei Mal Christian Ulmen den Bräutigam gibt. Für die erste Beobachtung gibt es sozusagen statistisches Beweismaterial. Tatsächlich ist die Geschlechterverteilung bei ausländisch-deutschen Ehen ungleich: Mehr Männer als Frauen heiraten nichtdeutsche Partner. Was meist verschämt mit dem Hinweis auf das durchschnittliche Wohlstandsgefälle und dem ebenfalls statistisch nachweisbaren Hang der Frauen erklärt wird, „nach oben“ zu heiraten.

Liebe ohne Berechnung?

Dass weder das eine noch das andere in den genannten Komödien in irgendeiner Weise thematisiert wird, lässt auf einen blinden Fleck schließen. Dass es den gibt, liefert auf den zweiten Blick auch die Begründung dafür, warum ausgerechnet Christian Ulmen die Idealbesetzung des deutschen Bräutigams zu sein scheint: Wer könnte besser darstellen, wie einer vor dieser schnöden, berechnenden Seite der Liebes- und Integrationsunternehmung fest die Augen verschließt, als der stets leicht trottelig, aber umso gutmütiger wirkende Ulmen? Wobei Ulmen – und Oliver Korittke in „Evet, ich will“ ist ihm da ebenbürtig – als leicht verspießerter, geistig aber wendiger Sohn von 68er-Eltern seltsamerweise das Ideal des antirassistischen Deutschen verkörpert. Frei nach dem Motto „Wer kann schon etwas für seine Gefühle“ wird die Echtheit seiner Zuneigung nie in Frage gestellt oder gar als ambivalent gezeigt.

Trotz des demonstrativ vor sich hergetragenen Willens zum Verstoß gegen die Codes der Political Correctness liefern die Komödien also den besten Beweis für einen gesellschaftlichen Konsens: Man macht sich besser über sich selbst und eben nicht über Ausländer und Migranten lustig.

Das aber gleicht einer verpassten Chance. Denn die Stärke solcher Komödien könnte ja auch in der Lust am Chargieren liegen, am hemmungslosen Ausagieren all der Klischees und Vorurteile, die mit einer Lust am Chaos einhergeht. Und wo Chaos ist, reißen Grenzen ein.

■  Barbara Schweizerhof, Jahrgang 1963, ist Filmkritikerin bei epd Film