Don’t do it zu dritt!

Götterdämmerung auf der Insel: Heute muss die DFB-Elf auf Zypern zeigen, dass sie auch mit Ergänzungsspielern wie Hitzlsperger und Neuville der Linie von Bundestrainer Löw folgen kann

AUS NIKOSIAANDREAS RÜTTENAUER

Der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes hat gesprochen. Es herrscht nun ein neues Gesetz auf Deutschlands Fußballplätzen. Matthias Sammer hat per Dekret die Abschaffung der Dreier-Formation in der Abwehr verfügt. „Die Dreierkette ist beim DFB verboten“, verkündete er am Wochenende. Alle Auswahlmannschaften des DFB, von der U15 an, sollen sich in der Defensive zu viert nebeneinander aufreihen. Der Trainer des A-Teams ist darüber auch glücklich; der Sportdirektor hat in seinem Sinne gesprochen. Joachim Löw ist seit jeher ein Verfechter der Viererabwehrkette. Davor sollen vier Spieler im Mittelfeld agieren und in der Spitze zwei Angreifer. Der deutsche Fußball hat somit sein System gefunden. Mit der Formel 4-4-2 soll die Fußballwelt zurückerobert werden.

Ein Schritt auf diesem Weg ist das EM-Qualifikationsspiel heute Abend (20 Uhr, ZDF) in Nikosia gegen Zypern. Auch wenn der Gegner der Deutschen im Lager Löws großgeredet wird, die Auswahl der „Götterinsel“ darf man auch nach dem 5:2 im Qualifikationsspiel gegen Irland getrost als Fußballzwerg bezeichnen. Löw erwartet von seinem Team, dass es in seinem Sinne „immer nach vorne, schnell in die Tiefe spielt – und Pressing“.

Dass Bernd Schneider abgesagt hat, wird Löw nicht viel Kopfzerbrechen bereiten. Die Spieler, die heute in der Startelf stehen werden – wahrscheinlich wird Thomas Hitzlsperger den vakanten Mittelfeldplatz einnehmen – haben bereits gezeigt, dass sie die Löw’sche Philosophie verstanden haben. Mit der Berufung von Paul Freier hat Löw wiederum gezeigt, dass es nicht allein junge Spieler sind, denen er vertraut. Der Bundestrainer hat mit der Nachnominierung Freiers ein Signal gesetzt. Es richtet sich an die Generation von Spielern, die in der Zeit unter Bundestrainer Rudi Völler, als deutsche Nationalmannschaften nicht selten hilflos über die Plätze rumpelten, als Hoffnungsträger galten. Paul Freier, mittlerweile 27 Jahre alt, der immerhin schon 18 Länderspiele absolviert hat, ist einer derjenigen, denen Löw immer zugerufen hat, dass die Tür zur Nationalelf offen steht. Die Berufung des lauffreudigen Ballarbeiters ist jedoch nicht nur der Lohn für die Leistungen, die der Leverkusener vor allem in der Rückrunde der vergangenen Bundesligasaison gezeigt hat, sie zeigt auch, dass der Fundus an hochbegabten Talenten im deutschen Fußball immer noch begrenzt ist.

Dass Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder der nach einer Verletzungspause ins Nationalteam zurückgekehrte Per Mertesacker gut Fußball spielen können, das haben sie bewiesen. Doch als Leitfiguren taugen sie trotz oft gezeigter Spitzenleistungen noch nicht. Sie sind nach wie vor Lehrlinge, die fleißig die von Löw vorgegebenen Laufwege einstudieren. Eine Leitfigur stellt in der Nationalmannschaft weiterhin nur ein Feldspieler dar, einer, der beim Wort Führungsspieler jahrelang allergisch reagiert hat. Michael Ballack wird in Nikosia sein 75. Länderspiel bestreiten. Bei beinahe jeder Diskussion, die um die Nationalmannschaft kreist, fällt sein Name. Als Vereinstrainer und -manager wieder einmal die ihrer Meinung nach zu hohe Zahl von Länderspielen kritisiert haben, machte sich Team-Manager Oliver Bierhoff einzig Sorgen um den Mann vom FC Chelsea London. Weil in England im Winter ohne Pause durchgespielt wird, könnte der, so Bierhoffs Sorge, am 24. März, wenn das nächste EM-Qualifikationsspiel in Tschechien ansteht, übermüdet sein. So richtig scheint man nicht zu wissen, wie eine deutsche Mannschaft in wichtigen Spielen ohne Ballack auskommen soll. Da mögen alle Spieler um ihn herum den Systemausführungen Löws noch so aufmerksam folgen, an den immer noch komplettesten deutschen Fußballer werden sie lange nicht heranreichen.