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Archiv-Artikel

Die Hits von gestern sind heute recht schläfrig

KONZERT Das Debütalbum von MGMT, „Oracular Spectacular“, war ein lautes Ja zur Tanzfläche. Das neue Album, „Congratulations“, will lieber komplizierten Kunstpop. Beides auf die Bühne zu bringen, ist nicht leicht, wie sich am Montag beim Konzert in der C-Halle zeigte

Zu den meisten ihrer neuen Stücke müsste man sich fragen, welche Droge dazu passt

Warum Konzerte mit Hippiegruppen in großen Hallen nicht funktionieren, bleibt ein Rätsel. Aber vielleicht sollte man nicht vorab verallgemeinern. Nur festhalten, dass MGMT in der sogenannten C-Halle am Montagabend wieder so ein Beispiel waren.

MGMT haben vor drei Jahren eine astreine Indie-Diskoplatte gemacht. Sie hieß „Oracular Spectacular“ und bestand aus funky David-Bowie-Nummern mit quäkenden Synthie-Hooks, die Liquido vor Neid erblassen ließen. Mit der ersten Single „Time to Pretend“ schafften es die beiden Jungs aus New York über Nacht mit einem Song berühmt zu werden, der genau diesen Ruhm ankündigte und gleichsam ironisch thematisierte. „I’m feeling rough, I’m feeling raw, I’m in the prime of my life / Let’s make some music, make some money, find some models for wives.“ Bis hin zur Gegenthese. Auch der Rest der Platte sagte laut Ja zur Tanzfläche und zum Herumfahren in schneidigen Autos mit Magermodels auf der Rückbank; und wer genau hinhörte, konnte die traurigen Untertöne hören, die von der Sehnsucht nach Jugendzimmer, Superheldencomics, dem Piece in der Sofaritze, der Playstation und den obskuren Platten des großen Bruders klangen.

Mit ihrer zweiten Platte „Congratulations“ hat das Duo dieses Jahr versucht, aus der Falle des Ruhms herauszukommen. „Congratulations“ ist eine merkwürdige, gewollt komplizierte Kunstpop-Platte geworden, die von allerlei Kritikern natürlich zu Tode gelobt wurde, es aber recht eigentlich nicht wirklich bringt, und das, obwohl Sonic Boom von ehemals Spacemen 3 an den Reglern stand. Sie klingt auch gar nicht so sehr nach Sixties-Pop, als vielmehr nach den frühen Sparks oder nach Supertramp, die versuchen Pink Floyd zu sein. Ein seltsames Vergnügen also eher.

Das Problem war jetzt, diese beiden auseinanderdriftenden Elemente auf die Bühne zu bringen, und MGMT sind daran gescheitert, dass sie sich nicht wirklich entscheiden konnten. Einerseits wirkte es, als ob die Stücke der neuen Platte als Füllmaterial zwischen den Hits der ersten platziert wurden. Andererseits mühte sich die Band, live um Rhythmusfraktion und Hard-Rock-Gitarristen verstärkt, den alten Hits, deretwegen die meisten jungen Leute an diesem Abend gekommen waren, eine angemessene Schläfrigkeit zu verpassen. Um sich so zumindest ein bisschen zu distanzieren. Dazu gab es eine nicht weiter erwähnenswerte Videoprojektion, in der psychedelische Bildchen verpixelt daherkamen, und nerdige Statik.

Wie Popstars sehen Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser aber auch nicht aus. VanWyngarden ist der Typ voll lieber Dauerkiffer; Goldwasser hat sich die Haare geschnitten und sieht nach Atari und Mathestudium aus. Zu den meisten ihrer neuen Stücke müsste man sich fragen, welche Droge dazu passt; das Problem war nur, dass all die Halstuchmädchen und die Berufsschuljungs mit Drogen nichts anfangen können, es sei denn, es handelt sich um Bier. Darum schaukelten sie sich wartend durch die ambitionierten Stücke, um zu den alten Hits angemessen auszuflippen, was meist so aussah: Das Publikum reckte iPhones in die Höhe, um MGMT bei „Time to Pretend“ zu fotografieren. Kommentar einer der Jungs zu MGMTs bestem Stück „Electric Feels“: „Von der neuen ist das das einzig gute.“ Na ja, knapp vorbei.

Am Ende versöhnten MGMT mit einer schüchternen Darbietung von „Kids“ und einer Zugabe, die in der Coverversion von „Teenage Lust“ ausuferte. „Little skinny girl, she’s done it for the first time.“ The Jesus & Mary Chain. Das waren noch Zeiten.

RENÉ HAMANN