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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Politiker gehören geprüft

■ betr.: „Die verstummte Welt“, taz vom 30. 11. 10

Lehrer wurden mit Gesinnungsschnüffelei misshandelt und mit Berufsverbot belegt. Kriegsdienstverweigerer werden gedemütigt, indem sie ihr Innerstes nach außen kehren müssen.

Politiker werden dem Wahlvolk von Parteien präsentiert, die zum Teil von Interessenverbänden gesteuert sind. Politiker werden dem Volk vor die Nase gesetzt und können nach erfolgreicher Wahl darauf herumtanzen. Politiker gehören geschult und geprüft, mehr noch als Lehrer und Kriegsdienstverweigerer. Ein Eignungstest muss vor allem klar herausstellen, wie sie es mit ihrer Glaubwürdigkeit halten, ob sie unterscheiden möchten zwischen vertraulich und öffentlich, ob sie so in sich gefestigt sind, dass sie keinen Gedanken verschwenden an einen Unterschied zwischen vertraulich und öffentlich.

Bettina Gaus erstaunt mich, wenn sie einem demokratischen Staatswesen zumutet, die Vertraulichkeiten verflossener und undemokratischer Systeme zu übernehmen. GERT GROPP, Gangelt

Der Prozess dauert lang

■ betr.: „Ihr könnt Euch niemals sicher sein“, taz vom 6. 12. 10

Politisch relevante Skandale werden nicht von jenen aufgedeckt, die ein Interesse an ihrer Geheimhaltung haben, sondern durch die Verletzung von Schweigepflichten durch Geheimnisträger und verbotene Überwindung von Informationsbarrieren. In Demokratien hat Aufklärung gegenüber Geheimhaltung ethischen Vorrang. Persönliche Motive der Whistleblower mögen nicht sympathisch sein, doch das ist von untergeordneter Bedeutung. Deshalb werden Informanten und die Veröffentlichung ihrer Informationen in Demokratien durch Pressfreiheit und Redaktionsgeheimnis geschützt.

Assanges Wikileaks stammen aus Akten, in denen Privates nichts verloren hat. Es sind daher gegebenenfalls die Akten, die die Privatsphäre verletzen, nicht Wikileaks. Wenn der strafrechtliche Verdacht, der gegen Assange geäußert wird, zu Recht besteht, dann ist Wikileaks kein Argument, ihn vor Verfolgung zu schützen. Behörden, die Assange ergreifen, um ihn einem Prozess auszuliefern, werden genau zu prüfen haben, auf welche Fakten sich dieser Verdacht stützen kann. Es steht nämlich gleichermaßen der Verdacht im Raum, dass die strafrechtlichen Vorwürfe nur erhoben und dienliche Aussagen gesammelt werden, um Assange festnehmen und aus dem Verkehr ziehen zu können. Der Prozess, selbst wenn er fair ist, dauert dann halt lang … PETER WARTA, Wien

Sportfaschismus eigener Prägung

■ betr.: „Krieg der Expertisen“, taz vom 6. 12. 10

Wenn Carl Diem kein Nazi war, so nur deshalb, weil er einen Sportfaschismus ganz eigener Prägung vertrat. Jemand, der schon 1922 allen Ernstes ein Gesetz über eine allgemeine körperliche Übungspflicht, also eine Art Sport-Wehrpflicht, forderte, kann heute kein Vorbild mehr sein. Dass heutige Sportfunktionäre nicht bereit sind, sich von der „soldatischen“, sprich militaristischen und nationalistischen Sportauffassung Diems klar zu distanzieren, ist mehr als bedenklich. KLAUS BAILLY, Solingen

Arbeit oder Ausschluss

■ betr.: „Auf Spanisch heißt Streik Befehlsverweigerung“,taz vom 6. 12. 10

Spanien, Südeuropa. Leere Staatskassen – klar, dass deswegen auch die Fluglotsen ihren Beitrag dazu leisten müssen, um wieder monetäre Mittel in den Haushalt zu spülen bzw. für Einsparungen zu sorgen – für das Wohl aller, versteht sich. Doch wehe, die Herren Fluglotsen gehen in den Streik. „Was fällt euch ein?“, fragt der Staatsherr. Der Staatsherr sieht nicht nur eine weitere Verschuldung durch das so unverständliche Verhalten der Fluglotsen. Nein, er will auch den immensen Imageverlust verhindern. Das Militär soll helfen, den Fluglotsen klare Gedanken in den Kopf – ja, notfalls sogar – zu prügeln. „Ihr dürft nicht zu Hause bleiben. Selbst, wenn ihr krankgeschrieben seid“, sagt der Staatsherr. Er weiß, dass es sich um diktatorische Anweisungen handelt. Er zwingt seine Bürger zur Dienstleistung. Denn der Mensch ist eine Maschine und hat zu funktionieren. Wenn die Maschine nicht arbeitet, landet sie im Restmüll und wird nicht mehr gebraucht. Für den Maschinen-Menschen bedeutet dies: Arbeit oder Ausschluss. Meine lieben Herren, Arbeitsorganisation funktioniert so nicht. Und irgendwann werden sich die Arbeitenden in solch großer Zahl zur Wehr setzen, dass dieses Modell der Mechanisierung nicht mehr zu halten sein wird. MICHAEL SENDER, Mainz