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Archiv-Artikel

Indiskretion Ehrensache

Die Protokollaffäre des Senats führt zu heftiger Redeschlacht in der Bürgerschaft. Staatsrat Schön wird erneut vom Untersuchungsauschuss vernommen werden. Das haben SPD und GAL durchgesetzt

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Die Protokoll-Affäre des Senats strebt immer neuen Höhepunkten entgegen. In der Bürgerschaft lieferten sich gestern Bürgermeister Ole von Beust und seine CDU-Fraktion eine mehr als einstündige Redeschlacht mit der rot-grünen Opposition über die Frage, wer von beiden der schlimmere Geheimnisverräter sei.

„Ohne jeden Beweis“, warf von Beust SPD und GAL vor, „stellen sie mich und meinen Staatsrat als Rechtsbrecher dar.“ Beweise gebe es „nur deshalb noch nicht“, weil der Senat der Staatsanwaltschaft „die Ermächtigung zur Strafverfolgung verweigert hat“, gaben Andreas Dressel (SPD) und Till Steffen (GAL) zurück.

Das aber werde schon bald ein Ende haben, glaubt die Opposition. Denn Staatsrat Volkmar Schön, Chef der Senatskanzlei und engster Vertrauter des Bürgermeisters, wird demnächst zum zweiten Mal vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Protokollaffäre (siehe Kasten) verhört werden. Das setzten SPD und GAL auf einer Sondersitzung des Gremiums vor der Bürgerschaftsdebatte mit ihrem Minderheitenrecht gegen die CDU-Mehrheit durch.

Schön habe bei seiner ersten Vernehmung am 3. November (taz berichtete) „unvollständig ausgesagt“, sagte Dressel zur Begründung. Es gebe sogar „den Verdacht auf eine Straftat“, setzte Steffen noch einen drauf. Da werde bei der erneuten Zeugenbefragung des Staatsrates „Einiges zu klären sein“.

Schön hatte vor zwei Wochen eingeräumt, im März eine Passage des Gedaschko-Berichts der Bild-Zeitung zugespielt zu haben. Staatsrat Axel Gedaschko hatte als Sonderermittler des Bürgermeisters die Protokollaffäre untersucht, sein Bericht wurde bis heute nicht veröffentlicht und war eine offizielle Grundlage für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Opposition sieht in Schöns Indiskretion „einen Geheimnisverrat“ und zudem den Versuch des „Rufmordes an einem unbequemen Abgeordneten“.

Die fragliche Passage enthielt die Behauptung des damaligen Sozialstaatsrats Klaus Meister, der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer habe ihn mit Material aus dem PUA Feuerbergstraße politisch zu erpressen versucht. Meister, damals zuständig für das geschlossene Heim Feuerbergstraße, wurde kurz danach von Regierungschef von Beust entlassen.

Der Bürgermeister aber habe das Handeln seines Staatsrates, von dem er erst hinterher erfahren haben will, „gebilligt“, findet GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Das erlaube erhebliche Zweifel an von Beusts „Glaubwürdigkeit im Umgang mit der Demokratie“. Und deshalb stehe der Regierungschef „persönlich in der Verantwortung“, befindet SPD-Fraktionschef Michael Neumann. Er habe Schön „schützen wollen“, jetzt aber müsse er „den Staatsrat entlassen“.

Der Bürgermeister und mehrere Redner der CDU wehrten sich vornehmlich mit Ironie gegen die Vorwürfe. „Peinliches Komödiantentum“ warf von Beust der Opposition vor, Harald Krüger, Obmann der Union im PUA Protokoll, attestierte SPD und GAL einen „hohen Verzweiflungspegel“. Mit ihren Versuchen, aufzuklären, wo es nichts aufzuklären gebe, seien Rote und Grüne „vom Holzweg in die Sackgasse gekommen“.

Die sachlichen Ermittlungen in der durchaus undurchsichtigen Affäre um Protokolle und Gedaschko-Bericht wird in den nächsten Monaten der PUA leisten müssen. Die gereizte Atmosphäre gestern im Parlament zeigte allerdings, dass auf allen Seiten die Nerven schon ziemlich liegen.