BRAND IM TEGELER WEG : Das gelbe Leuchten
J. will mit dem Auto zur Schule fahren. Ich will ihn eigentlich nur zur U-Bahn bringen, aber er weiß, dass ich leicht zu knacken bin. Es ist mein freier Tag, ich habe alle Zeit der Welt. Außerdem ist sein Schulweg wirklich weit, einmal Bus, zweimal U-Bahn, einmal-S-Bahn, jeden Morgen.
„Dir ist klar, dass das ganz viel Benzin verbraucht?“, frage ich. „Du kannst dann ja einkaufen fahren, hast du doch schon öfter gemacht.“ Stimmt. „Denk an den Stress letztes Mal, weil wieder Stau war.“ – „Letztes Mal nicht, da war ich zu früh.“ – „Ist gut. Aber nicht wieder die ganze Zeit auf dem Handy spielen, okay?“
Der Nachbarkater will rein. Er stellt sich an der Terrassentür auf die Hinterbeine und macht mit den Vorderpfoten eine Kratzbewegung am Fenster, nur ohne Krallen. Wischwischwisch. Gieriges Vieh. Wischwischwisch. Ich öffne die Tür, er rast herein und sucht in der Küche nach Futter. Sorry, aber wir müssen.
Im Auto spielt J. das Handy leer. Kein Stau, zum Glück, auch der Flughafentunnel ist auf. Ich spiele am Tempomaten herum. Warum fahren eigentlich alle außer mir zu schnell? Ausfahrt Jakob-Kaiser-Platz.
Rauch über dem Tegeler Weg! Als wir um die Kurve biegen, steht auf der Gegenfahrbahn ein weißer Lieferwagen und brennt, lichterloh. Aus der offenen Motorhaube schlagen meterhohe Flammen, auch die Vorderräder haben bereits Feuer gefangen.
„Guck mal“, rufe ich. J. klebt am Handy. „Brennendes Auto!“ Jetzt schaut er. „Halt an, ich mache Fotos“, schlägt er vor. Während die Hitze beim Vorbeifahren durch unsere Fensterscheiben dringt, überlege ich tatsächlich kurz, anzuhalten. Nein, das wäre idiotisch. Da kommt auch schon ein Löschzug.
Zu Hause schaue ich ins Handy. J. hat doch ein paar Aufnahmen gemacht: eine graue Straße durch eine Heckscheibe, ganz hinten ein gelbes Leuchten. Der Kater bettelt immer noch.
CLAUDIUS PRÖSSER