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Archiv-Artikel

Wirre Verschwörungstheorien

AMERICAN PIE Donald Sterling, der Besitzer der Los Angeles Clippers, manövriert sich nach seinen rassistischen Äußerungen weiter ins Abseits. Es droht ein Spielerstreik in der NBA

VON THOMAS WINKLER

Doc Rivers ist kein Kettenraucher. Die Stimme des Trainers der Los Angeles Clippers klingt nur so, als würde er ununterbrochen Filterlose qualmen. Nach der Niederlage in Oklahoma City schienen Rivers’ Stimmbänder noch schlimmer zu kratzen als sonst. 104:105 hatte seine Mannschaft verloren und Rivers hatte reichlich Grund gehabt, sich heiser zu brüllen. „Eine Komödie aus Fehlern“ hatten seine Spieler begangen, und die Schiedsrichter eine eklatante Fehlentscheidung getroffen: „Wir wurden beraubt“, raspelte Rivers.

Es war ein denkbar dramatisches Spiel. Vier Minuten waren noch zu spielen, da führte Los Angeles noch mit 13 Punkten. 45 Sekunden vor dem Ende hatten die Gäste immer noch einen 7-Punkte-Vorsprung. Dann leistete sich ausgerechnet Chris Paul, Aufbauspieler und Star der Clippers, zwei Ballverluste und ein dummes Foul. Das eigentlich schon entschiedene Spiel kippte zugunsten der Gastgeber, die in der spannenden Playoff-Serie nun mit 3:2-Siegen führen und am Donnerstag mit einem Erfolg in Los Angeles das Halbfinale erreichen können.

Zuletzt scherte sich allerdings niemand um das sportliche Schicksal der Clippers. Stattdessen drehte sich alles um deren Besitzer Donald Sterling, nachdem vor knapp drei Wochen die Aufzeichnung eines Tonbandgesprächs aufgetaucht war, in dem sich der 80-jährige Milliardär abfällig über Schwarze geäußert hatte. Die NBA hat denkbar schnell reagiert, Sterling lebenslänglich verbannt und einen Interimsgeschäftsführer bei den Clippers eingesetzt. Die Liga will Sterling außerdem dazu zwingen, die Clippers zu verkaufen, aber die Außenwirkung ist trotzdem fatal: Kaum jemand redet noch über Basketball.

Mit Donald Sterling sprach nun ein CNN-Reporter. Der Immobilienunternehmer, dem seit 33 Jahren die Clippers gehören, versuchte sich zu rechtfertigen, manövrierte sich aber noch weiter ins Abseits. Zwar bezeichnete er seine rassistischen Ausfälle als „schrecklichen, schrecklichen Fehler“. Anschließend legte der jüdische Geschäftsmann aber nach und offenbarte seine wahre Gesinnung: „Wenn Juden erfolgreich werden, dann helfen sie ihren Leuten. Vielleicht kriege ich dafür auch wieder Ärger: Aber einige Afroamerikaner wollen niemandem helfen.“

Als Lieblingsfeind hat sich Sterling ausgerechnet Magic Johnson ausgesucht, einen der beliebtesten Spieler der NBA-Geschichte. Der, so Sterling, „solle sich schämen“ für seine HIV-Infektion. Außerdem warf Sterling dem als Philanthropen bekannten Johnson, der über eine Stiftung Millionen für den Kampf gegen Aids aufgebracht hat, vor, er würde sich zu wenig engagieren. Offensichtlich hat Sterling vollkommen den Kontakt zur Realität verloren und flüchtet sich in Verschwörungstheorien. Während die Profis vor einem Playoff-Spiel geschlossen gegen ihren Eigentümer protestierten, indem sie ihre Trikots beim Aufwärmen verkehrt herum trugen, und mehrere Sponsoren ihre Verträge mit den Clippers kündigten, behauptet Sterling: „Die Spieler hassen mich nicht. Die Sponsoren hassen mich nicht. Die Fans hassen mich nicht. Die Medien hassen mich. Das alles sind nur die Medien.“

Immerhin deutete Sterling an, dass er keinen Rechtsstreit mit der NBA führen wolle – obwohl deren juristische Position dünn ist. Allerdings ist der alte Mann an Krebs erkrankt und scheint, das legte auch seine seit Jahren von ihm getrennt lebende Ehefrau Shelly nahe, auf direktem Wege in die Demenz. Die ist indes Mitbesitzerin der Clippers und bringt ihre Anwälte in Stellung, weil sie ihre Anteile an der Franchise nicht verkaufen will. Währenddessen droht die Spielergewerkschaft mit Streik für die nächste Saison, falls dann noch jemand mit Namen Sterling in Besitz der Clippers sein sollte. Hinter dieser Drohung steht, so ein Gewerkschaftssprecher, mit LeBron James auch das Aushängeschild der NBA.