Raus aus der Opferrolle

INTEGRATION Viele Muslime wissen gar nicht, dass sie diskriminiert werden. Ein vom Senat unterstütztes Netzwerk will das ändern: BeraterInnen sollen auf Rechte und Protestmöglichkeiten aufmerksam machen

Diskriminierung ist für die meisten in Berlin lebenden Muslime Normalität. Diese nüchterne Erkenntnis hatte Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) aus einer Studie des Londoner Open Society Institute gewonnen – und im Mai ein Aktionsprogramm aufgelegt. Am Mittwoch zog sie eine erste Bilanz: „Viele Muslime wissen nicht, dass sie sich gegen Diskriminierung wehren können“, so Bluhm.

Laut der britischen Studie fühlen sich 70 Prozent der in Kreuzberg lebenden Muslime diskriminiert. Ethnisch und religiös motivierte Diskriminierung spielt dabei die größte Rolle, Frauen sind stärker betroffen als Männer. Das Londoner Institut gab konkrete Handlungsanweisungen an die Politik mit. „Es hieß, wir sollten verstärkt Beratungsstellen einrichten. Das haben wir getan“, erklärte am Mittwoch Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats. Das im Mai gegründete Netzwerk gegen Diskriminierung von Muslimen hat seitdem auf 27 Veranstaltungen in 19 Moscheen und muslimischen Vereinen den Austausch mit Betroffenen gesucht. Getragen wird das Projekt vom Senat, dem muslimischen Verein Inssan und dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg.

Neu an dem Projekt ist, dass AnsprechpartnerInnen aus Reihen der Moscheen und muslimischen Vereinen für die Antidiskriminierungsarbeit ausgebildet werden. Bis Ende 2011 sollen etwa 80 ehrenamtliche BeraterInnen ausgebildet werden. „Ein ehrgeiziges Ziel“, meint Piening. Bisher konnte das Netzwerk 38 Interessierte gewinnen.

Sie sollen zum Beispiel Frauen helfen, denen bei einem Vorstellungsgespräch geraten wird, in Zukunft ohne Kopftuch zur Arbeit zu kommen. Die BeraterInnen sollen sie künftig über ihre Rechte aufklären, und ihnen Ansprechpartner vermitteln, wenn sie Beschwerden oder Klagen einreichen wollen. CAROLIN KÜTER