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Archiv-Artikel

portrait Der Aroma-Provokateur aus Kreuzberg

Mal wieder ein Berliner. Nach sechs Jahren ist noch einer aus der emsigen Riege von jungen Hauptstadtköchen vom Gault Millau zum „Koch des Jahres“ gekürt worden. Im Jahr 2001 war es noch Mathias Buchholz vom Restaurant „First Floor“, 2007 heißt der Küchenchef Tim Raue, „44“ sein Restaurant, Berlin seine Stadt.

Hier ist der Küchenchef des Fünf-Sterne-Hotels Swissôtel 1974 geboren, in Kreuzberg ganz genau. Und in Berlin hat er auch die meiste Zeit seines Berufslebens verbracht, in ziemlich vielen Restaurants. Eigentlich wollte er Architekt werden, es wurde aber nichts aus dem Abitur. Raue folgte dem Rat einer Lehrerin, die Kreativität und gestalterische Elemente auch dem Kochberuf zuordnete. „Leider vergaß sie zu erwähnen, dass 14-Stunden-Tage und unbändiger Wille ebenfalls Grundvoraussetzungen sind“, sagt er heute. Diesen Willen hat er offenbar. Der junge Küchenchef, der nun schon seit einigen Jahren die Küche des „44“ dirigiert, überzeugt die Kritiker. Küchenpapst Wolfram Siebeck etwa schrieb: „Er kochte überall, wo ich seine Menüs probieren konnte, Aufsehen erregend gut. Er wechselte aber auch Aufsehen erregend oft den Arbeitsplatz.“

Seine Gerichte und Arrangements auf dem Teller sorgen immer für Überraschungen, sind selten langweilig. Markenzeichen von Raue ist, dass er keinen Respekt vor Gaumen hat, die nur das Zarte und Feine lieben. Gewürze verwendet er fast ohne Maß. Was Raue kocht, hat deshalb immer viele und starke Aromen, egal, ob es sich dabei um eine Flusskrebsbulette, Bananenravioli oder einfach eine Kürbissuppe handelt – übrigens ein Klassiker auf seiner Karte.

Obwohl ein Koch der Edelgastronomie, ist Raue kein Koch der Edelgäste allein. Zusammen mit anderen jungen Spitzenköchen hat er die Vereinigung Jeunes Restaurateurs D’Europe gegründet, um sich um den Nachwuchs unter den Gourmets zu kümmern. Für einen erschwinglichen Gesamtpreis bekommen Menschen bis zum Alter von dreißig Jahren beim „Twenü“ ein Dreigängemenü serviert, Aperitif, Wein, Wasser und Espresso inklusive.

Die Auszeichnung für Tim Raue ist allerdings alles andere als überraschend. Schon 2005 zeichnete der Gault Millau ihn als „Aufsteiger des Jahres“ aus, seitdem kochte sich Raue Jahr für Jahr eine Stufe höher auf der bis zu 20 Kochmützen reichenden Skala des Restaurantführers. Gerade ist er bei 18 angelangt. Zudem gehört der Küchenchef zur jungen Garde von Berliner Köchen, die seit Jahren selbstbewusst daran arbeiten, Berlin auch kulinarisch zur Hauptstadt zu machen – und dabei vom Gault Millau tatkräftig unterstützt werden.JÖRN KABISCH