: Gaspreis lässt Richter rotieren
Wie Tausende von Bremern haben auch Bremer Richter fleißig Widerspruch gegen ihre Gasrechnung eingelegt. Jetzt gelten sie gleich reihenweise als befangen. Der Verhandlungstermin vor dem Oberlandesgericht lässt auf sich warten
Darf eine RichterIn, die privat mit Gas heizt, über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit von Gaspreiserhöhungen befinden? Sie darf, sagt das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen – aber nur, wenn sie diese „ohne Reaktion hingenommen“ oder ihre Zahlungen maximal „unter Vorbehalt“ geleistet hat.
Im 5. Zivilsenat, der in zweiter Instanz die Sammelklage von 58 GaskundInnen gegen vier Preiserhöhungen des Bremer Energieversorgers swb AG verhandeln soll, sorgt diese Maßgabe derzeit für eifriges Stühlerücken. Das Problem: Erst hat eine der drei RichterInnen kundgetan, dass sie, wie über 10.000 Bremer GaskundInnen auch, persönlich Widerspruch gegen ihre Gasrechnung eingelegt hat – laut Gericht ein „aktives Verhalten“, das die swb zu Recht an der Unvoreingenommenheit zweifeln lasse. Dann meldete sich ihre Nachrückerin: Auch sie hatte ihrer Gasrechnung widersprochen – und musste ihren Richterstuhl räumen.
Ein Verhandlungstermin ist trotzdem noch nicht in Sicht. Erstens ist unklar, welche RichterIn als nächstes nachrückt – und folglich auch, ob sie nicht ebenfalls als befangen gilt. Zweitens geht ein weiterer, bisher unbeanstandeter Richter des Senats dieser Tage in den Ruhestand. Seine Stelle wird erst 2007 wieder besetzt – ob mit einer Gaspreis-WidersprüchlerIn oder nicht, ist offen. Einen Personalnotstand befürchtet der Gerichtssprecher allerdings nicht: „Wir haben genug KollegInnen, die das machen können.“
Schon in erster Instanz, vor dem Bremer Landgericht, hatte der Gaspreis-Streit die Richterriege rotieren lassen. Sowohl der Vorsitzende als auch der zweite Richter der dreiköpfigen Kammer hatten damals erklärt, als Privatmänner Widerspruch gegen die Preisforderung der swb eingelegt zu haben – und mussten ihren Platz räumen. Die neue Vorsitzende, ursprünglich die dritte im Bunde, heizte zuhause zwar ebenfalls mit Gas. Den Widerspruch gegen die Rechnung hatte allerdings nicht sie eingelegt, sondern ihre Hausverwaltung – weswegen die swb auf einen dritten Befangenheitsantrag verzichtete.
Genützt hat dem Versorger das Stühlerücken indes nichts: Die Kammer erklärte im Mai alle vier strittigen Gaspreiserhöhungen für ungültig – weil die Preisanpassungsklausel in den swb-Verträgen zu undurchsichtig sei.
Für die seit Monaten anstehende Berufungsverhandlung fasst das Oberlandesgericht nun einen Termin Ende Januar ins Auge. Jedenfalls für den Fall, dass es bis dahin einen Verhandlungssaal gefunden hat, der groß genug für 58 KlägerInnen ist.
ARMIN SIMON