: Polizeischutz für Nazi-Schläger
DGB-Jugend wollte bei einem Infoabend Rechtsextremen den Zutritt verweigern. Als die dennoch anrücken, tritt die Polizei auf den Plan: Entweder werden die Nazis eingelassen – oder die Veranstaltung vorzeitig abgebrochen
Im Vorfeld war sich die Polizei sicher: Neonazis würden keine Bedrohung darstellen für die Veranstaltung der DGB-Jugend – Titel: „Strukturen der rechten Szene in Hamburg-Wandsbek“. Auch DGB-Jugendbildungsreferent Heiko Humburg sagt, man habe ihm versichert: „Das wird ein ruhiger Abend.“ Vor der Veranstaltung am Donnerstagabend im Bürgerhaus Wandsbek erklärte der Polizeieinsatzleiter schließlich auch noch, der Hinweis der Veranstalter, Rechte hätten keinen Zutritt, sei rechtens: An die Türen des Veranstaltungsortes hatte der Gewerkschaftsnachwuchs den Hinweis gehängt: „Mitglieder und Anhänger rechtsextremer Parteien und Organisationen wie NPD, DVU, Rep und der ‚Freien Kameradschaften‘ haben keinen Zutritt zu der Veranstaltung (nach § 6, VersG)“. Es kam anders.
Kurz vor Veranstaltungsbeginn, um 19 Uhr, betraten die ersten Neonazis den Saal. Es folgten einzelne ältere NPD-Kader und jüngere Aktivisten der „Freien Kameradschaften“ (FK). Als etwa 20 weitere Neonazis ankamen, verwehrten ihnen einige Besucher den Zutritt. Humburg hatte sie aufgefordert, die „unerwünschten Gäste“ abzuweisen. „Ihr dürft hier nicht rein“, wurde den Rechten am Eingang mitgeteilt. Diese, darunter Karl Göbel, der NPD-Kreisvorsitzender von Wandsbek, sowie Mario Indorf vom NPD-Ordnerdienst, versuchten trotzdem Einlass zu erhalten: Erst schubsten sie, dann schlugen und traten sie.
Eilig sicherten die Angegriffenen die Tür zum Saal, wo rund 40 Gäste saßen, auch ältere Anwohner. Im Flur konnten sie die Neonazis zurückdrängen. Doch aus dem Gebäude wichen die Rechten erst, als Pfefferspray gesprüht wurde. Sofort schlossen die DGB-Gäste die Eingangstür.
Die herbeigerufene Polizei hielt die Neonazis zunächst vom Gebäude fern. Dann aber wies derselbe Einsatzleiter, mit dem zuvor auch die Absprachen getroffen worden waren, den Veranstalter an, den Rechten Eintritt zu gewähren. Ansonsten, erklärte er gegenüber Humburg, müsse dieser die Veranstaltung beenden. Das tat der Gewerkschafter – gewaltbereite Neonazis in den Saal zu lassen, wollte er nicht verantworten. Die Beamten nahmen derweil vier Besucher fest, die sich den Rechten entgegengestellt haben sollen: Sie waren von Neonazis wegen Körperverletzung angezeigt worden.
Einen „Skandal“, findet Humburg, „dass der Einsatzleiter nicht willens war, eine Veranstaltung der Gewerkschaft vor Angriffen der Neonazis zu schützen“. Auch Hamburgs DGB-Vorsitzender Erhard Pumm erklärte gestern: „Es darf nicht sein, das Rechtsextreme ihre Teilnahme an politischen Veranstaltungen gegebenenfalls mit Hilfe der Polizei durchsetzen und sie damit de facto verhindern können.“ Es könne nur im Interesse der Polizei sein, jede Situation zu vermeiden, in der sie die Interessen Rechtsextremer gegen demokratische Organisationen durchsetzen müssen, so Pumm.
Polizeisprecher Ralf Meyer dagegen rechtfertigt das Vorgehen der Ordnungshüter: „In der Presse war die Veranstaltung angekündigt, somit ist es eine öffentliche Versammlung, an der jeder teilnehmen darf.“ Der Hinweis auf das Versammlungsrecht sei nicht zu lesen gewesen.
„Bei allen Ankündigungen“, sagt dagegen Humburg, „haben wir diesen Hinweis angeführt.“ Niels Annen, SPD-Bundestagsabgeordneter und Fachsprecher zum Thema Rechtsextremismus, erklärte gestern, es fehle „der Polizei offensichtlich das Problembewusstsein“. Zudem sei er überzeugt, dass „der Ausschluss der Neonazis von öffentlichen Veranstaltungen rechtens“ gewesen wäre. Die DGB-Jugend plant die Veranstaltung nachzuholen. ANDREAS SPEIT