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Archiv-Artikel

„Wir wollen ein Bleiberecht für alle“

Vor drei Jahren schlossen sich bundesweit Jugendliche ohne Aufenthaltstitel zusammen, um sich ein Bleiberecht zu erkämpfen. Unter ihnen ist Meryem Kaymaz. Sie fürchtet, von der neuen Bleiberechtsregelung ausgeschlossen zu sein

taz: Frau Kaymaz, Sie haben mit „Jugend ohne Grenzen“ bei der Innenministerkonferenz (IMK) demonstriert. Was haben Sie gefordert?

Wir fahren seit drei Jahren zu den IMKs, um dort für unser Bleiberecht zu kämpfen. Diesmal haben wir seit Mittwoch in Nürnberg eine Gegenkonferenz abgehalten. 120 Jugendliche, teils langjährig geduldet, teils ganz ohne Papiere haben daran teilgenommen. Am Donnerstag gab es eine Demonstration mit 2.500 Menschen. In unserem Redebeitrag haben wir gesagt, was wir wollen: Abschiebestopp und Bleiberecht – und zwar für alle.

Gestern wurde nun die Bleiberechtsregelung beschlossen. Sind Sie zufrieden?

Nein. Montag werde ich zur Ausländerbehörde gehen und versuchen, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Ich habe aber Angst, dass das nicht klappt.

Warum?

Als ich elf war, wurde mir meine Aufenthaltserlaubnis entzogen. Die Ausländerbehörde behauptet, meine Familie sei nicht aus dem Libanon, sondern aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Dies gilt als „Identitätsfälschung“ – und könnte ein Ausschlussgrund für die Bleiberechtsregelung sein. Weil ich staatenlos bin, kann ich aber auch nicht abgeschoben werden. So müsste ich weiter jahrelang mit der Duldung leben.

Wie lebt es sich als „Geduldete“ in Deutschland?

Letztes Jahr im August wurde mir meine Duldung einige Male nur für einen einzigen Tag verlängert. Sonst gab es immer einen Stempel für zwei Wochen bis sechs Monate. Oft sind meine Eltern für mich zur Ausländerbehörde gegangen, weil ich nicht immer die Schule schwänzen konnte, um den Stempel abzuholen. In der Ausländerbehörde mussten wir uns um halb fünf morgens anstellen, um mittags um zwölf an der Reihe zu sein.

Gibt es darüber hinaus Schwierigkeiten im Alltag?

Ich unterliege als Geduldete der Residenzpflicht, dürfte Bremen also eigentlich nicht verlassen. Für den Kongress habe ich eine Ausnahmeerlaubnis bekommen. Allerdings hat es zwei Wochen gedauert, bis ich den Stempel hatte.

Was sagt der zuständige Bremer Innensenator Röwekamp zu Ihrer Situation?

Wir waren bei ihm, um ihm unsere Lage zu schildern. „Man wird sehen, entschieden wird auf der IMK“, hat er gesagt. Für einige Jugendliche, auch für mich, käme vielleicht ein Antrag bei der Härtefallkommission in Frage. Unsere Eltern aber, so sagte er, bekämen sicher kein Aufenthaltsrecht.

Wie soll es weitergehen?

Zur Zeit hole ich an der Abendschule in Bremen meinen Realschulabschluss nach. Später möchte ich Jura studieren.

INTERVIEW: CHRISTIAN JAKOB

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