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Archiv-Artikel

Wenn es unterm Stiefel knackt

DAS VERGESSENE REZEPT Auf dem Weinberg unseres Autors leben sehr viele Schnecken. Er hat ein paar von ihnen gekocht

Weinbergschnecken in Knoblauchbutter

■ Das Rezept: Ausgewachsene Weinbergschnecken in einen Schuhkarton setzen und drei Tage warten, bis der Darm entleert ist. Schnecken in sprudelnd kochendes Wasser werfen und zehn Minuten warten. Mit einer spitzen Gabel oder einem Zahnstocher die Schnecken aus dem Gehäuse ziehen. Nur der Kriechmuskel ist essbar. Man kann ihn mit einem scharfen Messer von den Innereien trennen. Die Schnecken in einem Sud aus Brühe und Wein zusammen mit Lorbeerblättern circa eine Stunde simmern, also ganz leicht köcheln lassen. Die Schnecken in die ausgekochten Schneckenhäuser setzen und mit Knoblauch-Kräuterbutter servieren.

VON PHILIPP MAUSSHARDT

Ich möchte gleich an dieser Stelle alle Leserbriefe beantworten, die zwar noch nicht geschrieben sind, mir aber bei diesem Rezept mit Sicherheit drohen.

Liebe Frau Bachmaier, danke für Ihre Zuschrift, wobei mir die Bezeichnung „Mörder“ doch maßlos übertrieben erscheint. Zwar haben Sie recht, ich habe die Schnecken tatsächlich getötet, aber ist nicht jeder Verzehr von Fleisch letztlich mit dem Töten von Tieren verbunden? Mit freundlichen Grüßen.

Sehr geehrter Herr Stawinsky, haben Sie vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Sie schreiben, dass laut „Anlage 1 zur Artenschutzverordnung“ das Sammeln von Weinbergschnecken (Helix pomatia) in Deutschland nicht mehr erlaubt sei und ich mich daher strafbar gemacht habe. Sie drohen mir gar mit einer Anzeige bei der zuständigen Naturschutzbehörde. Darf ich zu meiner Verteidigung vorbringen, dass diese verdammten Schnecken zu Hunderttausenden meinen Weinberg bevölkern und ich bei jedem zweiten Schritt durchs Gras dieses knackende Geräusch unter meinen Stiefeln höre? Weshalb ich ohne schlechtes Gewissen ein paar Dutzend dieser Dinger eingesammelt und mit nach Hause genommen habe. Es grüßt Sie freundlich, Philipp Maußhardt.

Liebe Anne, da du mich duzt, darf ich im selben Stil antworten. Du fragst, ob der ekelhafte Gestank beim Kochen nicht dadurch vermieden werden könnte, dass man die Schnecken vor der Zubereitung länger als die üblichen drei Tage in Schuhkartons aufbewahrt. Ich kann dazu nur sagen: Man sollte die Schnecken in dieser Zeit auf keinen Fall füttern, sondern ihnen lediglich Zeitungspapier in den Karton legen. Sie fressen das und scheiden es wieder aus. Dadurch leert sich ihr Darm. Sein Inhalt verursacht den scharfen Geruch beim Kochen. Wünsche guten Appetit.

Sehr geehrter Herr Schuhbeck, herzlichen Dank für den interessanten historischen Hinweis, dass schon im Mittelalter entlang der Donau ein reger Schneckenhandel geherrscht habe. Es war mir tatsächlich neu, dass sich die Mönche mithilfe der Schnecken – weder Fisch noch Fleisch – über die Fastenzeit retteten. Bitte grüßen Sie Ihr Küchenteam von mir.

Liebe Frau Kahl, Sie irren sich, wenn Sie behaupten, die Schnecken seien durch den Wurf in kochendes Wasser einem langsamen, qualvollen Tod ausgesetzt. Meiner Erfahrung nach und der anderer Schneckenköche sind die Tiere schon in Sekundenschnelle tot. Mit besten Grüßen.

Sehr geehrter Herr Cheval, zunächst freue ich mich, dass die sonntaz offenbar auch in Frankreich gelesen wird. Ihren Vorschlag, die Schnecken in ein Gehege zu setzen und sie über einen Monat lang mit Rosmarin zu füttern, werde ich demnächst einmal ausprobieren. Dass sich der Kräutergeschmack tatsächlich im Fleisch der Schnecken festsetzt, bezweifle ich allerdings. Avec mes meilleures salutations.

Die Essecke: Philipp Maußhardt schreibt hier jeden Monat über vergessene Rezepte. Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, Jörn Kabisch spricht mit Praktikern der Küche, und unsere Korrespondenten berichten, was in ihren Ländern auf der Straße gegessen wird