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Archiv-Artikel

Landsberg oder Landshut?

HAFT Weil Uli Hoeneß Steuern hinterzogen hat, soll er dreieinhalb Jahre in die JVA Landsberg. Er will aber verlegt werden – angeblich in die JVA Landshut. Aus Gründen des Komforts, heißt es. Aus Gründen der Sicherheit, sagt Hoeneß. Gilt für Prominente anderes Recht?

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Landsberg

Helmut Ortner, 64, ist Autor. Sein jüngstes Buch besteht aus 192 Provokationen

Schon Kanzlerin Merkel lobte die Bereitschaft des Delinquenten, seine Haft mannhaft zu akzeptieren. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer dankte bei der Meisterfeier des FC Bayern „ganz bewusst auch als bayerischer Ministerpräsident …“ dem „lieben Uli Hoeneß“, weil ihm der Freistaat Bayern „ungeheuer viel zu verdanken hat“. Hochmögende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik huldigen in peinlicher Nibelungentreue einem Steuerstraftäter – der so ist, wie sie auch sind oder gerne sein möchten. Uli Hoeneß steht stellvertretend für einen Teil der deutschen Elite, die sich als Spitze der Gesellschaft versteht, aber nicht an deren Regeln gebunden wähnt. Er ist einer ihrer Helden. Und für Helden gilt nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Darum geht es auch jetzt. Hoeneß soll seine Strafe – als Ersttäter ohnehin nur die Hälfte der Zeit – in Landsberg absitzen, einem Gefängnis mit großer Tradition. Eine Adressänderung scheint dennoch möglich: Seit dem Fall Mollath wissen wir, dass die bayerische Justiz flexibel ist. Die Worte des Ministerpräsidenten können sogar Tore öffnen.

Achim Doerfer, 48, ist Rechtsphilosoph und Rechtsanwalt. Er lebt in Göttingen

Klar darf es keinen Promi-Malus geben. Uli Hoeneß wird in der Knasthierarchie in Bayern aber oben stehen. Sonst hätte er die Haft eh durch Ummeldung in ein anderes Land verlegt. Ein Tag der offenen Tür verletzt seine Privatsphäre? Was ist mit den anderen Insassen? Für den Versuch des Transports von 5,7 Kilogramm Marihuana ab Holland gibt es in Nürnberg 4 Jahre. Und 1 Kilometer Transport ergeben 66.666 Euro Hinterziehung. Hoeneß’ Richter musste die Wahrheit in 12.000 Seiten suchen oder seine Zahlen schlucken. Im Vergleich zum Otto-Normal-Straftäter kam er also gut weg. Wird Zeit, dass er wie alle anderen behandelt wird.

Isa Raschke, Leserin, diskutierte mit Martin Semmelrogge auf Facebook

Martin Semmelrogge, Ihren Aspekt der Geschichte habe ich mir noch gar nicht vor Augen geführt. Aber: Haben denn unbekannte Gefangene nicht ähnliche Probleme wie prominente? Vielleicht vermitteln uns Film und Fernsehen ein verzerrtes Bild, wenn sie Rivalitäten unter Knastis thematisieren – oder etwa, dass es Pädophile im Gefängnis besonders schwer haben. Vielleicht ist es einfach so: Uli Hoeneß hat Mist gebaut. Und jetzt muss er dafür die Konsequenzen tragen. Dass sich das nicht gut anfühlt, ist … tja, das ist wohl einfach so. Er hat auch die Vorteile seiner Straftat genossen. Und da war ihm seine Prominenz nicht im Wege.

Marianne Kunisch, 73, ist Anwältin. Sie vertrat RAF-Mitglieder im Strafvollzug

Meiner Meinung nach ist es recht egal, in welche Justizvollzugsanstalt Bayerns Herr Hoeneß kommt. Die Vollzugsbeamten dort werden seinetwegen sowieso von der Boulevardpresse „angebaggert“. Die Reporter werden wahrscheinlich nichts unversucht lassen, um an ein Foto von Herrn Hoeneß in der JVA zu gelangen. Mit Sicherheit werden sie dafür auch versuchen, die Vollzugsbeamten zu bestechen, darüber läuft in deutschen Gefängnissen ja vieles. Man kann nicht sagen, in welcher JVA er am meisten gefährdet wäre. Das ist ein Glücksspiel und kommt darauf an, mit wem er sich eine Zelle teilt. Ich kann mir vorstellen, dass er zunächst nach Landsberg kommt. Eine Verlegung könnte dann immer noch unter der Hand erfolgen, wenn Hoeneß tatsächlich gefährdet sein sollte.

Landshut

Martin Semmelrogge, 58, Schauspieler, saß wegen Verkehrsdelikten im Gefängnis

Ob Landshut oder Landsberg – beides ist wie taz oder FAZ – nicht einfach, aber unvermeidlich. Egal, wo man letztlich „sitzt“, der Verlust der Freiheit ist in jedem Fall sehr hart: Ob man nun im Haftraum einen Flachbild- oder Röhrenfernseher hat – das deutsche Fernsehprogramm ist in jedem Fall eine unzumutbare Härte. Als Prominenter hat man im Knast einen Malus statt einen Bonus. Jeder macht sich über einen lustig, jeder beobachtet einen auf Schritt und Tritt, selbst im Freigang wird man ja sofort auf der Straße als Knacki erkannt. Jedes nette Gespräch mit einem Beamten wird von den anderen als vermeintliche Bevorzugung interpretiert, ruft ergo Neid und Petitionen der anderen Gefangenen hervor. Beamte sind dementsprechend verunsichert und bemühen sich, den Promi so nüchtern wie möglich „gleichzubehandeln“, was aber gar nicht möglich ist. Rechte, die jeder „normale“ Gefangene hat, werden von der Presse und den Mitgefangenen oft reißerisch als „Bonus“ dargestellt – was wiederum dazu führt, dass der Promi am Ende noch weniger „Vergünstigungen“ hat als die anderen Gefangenen. Der Tag der offenen Tür in Landsberg war schon eine Unverschämtheit und zeugt von der Hilflosigkeit der JVA gegenüber dieser Thematik. Deswegen bin ich dafür, Uli Hoeneß nach Landshut zu verlegen.

Jan Oelbermann, 33, arbeitet als Fachanwalt für Strafrecht. Er lebt in Berlin

Prinzipiell gibt es die Möglichkeit einer Einweisung von Herrn Hoeneß in Landshut. Die Zuständigkeit des Gefängnisses richtet sich nämlich nach dem Vollstreckungsplan. Danach wäre wohl die JVA Landsberg am Lech für den Vollzug der Freiheitsstrafe gegen Uli Hoeneß zuständig. In jenem Vollstreckungsplan ist jedoch auch die Möglichkeit einer Abweichung vom Vollstreckungsplan vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde kann danach, mit der Zustimmung des Staatsministeriums der Justiz, zum Beispiel von den Regelungen des Vollstreckungsplans abweichen – wenn dadurch die Wiedereingliederung besser gefördert wird oder wenn „dies aus anderen wichtigen Gründen“ erforderlich ist. Wenn Herr Hoeneß der Ansicht ist, dass es einen wichtigen Grund dafür gibt, dass er in die JVA Landshut verlegt wird, soll er den entsprechenden Antrag stellen. Die Staatsanwaltschaft muss im Anschluss prüfen, ob sie diesen Grund ebenfalls sieht und Hoeneß dann gegebenenfalls nach Landshut einweisen. Ein Skandal wäre das nicht.

Julian Kircher, 22, ist Schriftführer des FCB-Fanclubs „Hauptstadt Supporters“

Die Entscheidung, Uli Hoeneß in die JVA Landshut zu verlegen, hängt für mich vor allem von zwei Faktoren ab, von Sicherheit und von Gleichbehandlung. Die Begründung, durch einen Tag der offenen Tür sei seine Privat-sphäre verletzt worden, halte ich für weniger relevant als diese beiden genannten Faktoren. Im Gefängnis muss die Sicherheit der Insassen ebenso gesichert sein wie für Bürger auf freiem Fuß. Falls eine Gefährdung eines Insassen besteht, muss dementsprechend vorgebeugt werden (und im schlimmsten Fall eine Verlegung stattfinden). Das können am ehesten die im Gefängnis tätigen Beamten und die Insassen beurteilen, da sie die Stimmung hinsichtlich Hoeneß‘ Inhaftierung erleben. Hinsichtlich der Gleichbehandlung verbietet Uli Hoeneß‘ Bekanntheit gewissermaßen einen direkten Vergleich mit einem unbekannten Häftling. Er wird sicherlich anders empfangen werden, möglicherweise positiv, möglicherweise negativ. Er sollte dabei nicht besser als andere Insassen behandelt werden – andersum sollte für ihn der Gleichbehandlungsgrundsatz sichergestellt werden: Er sollte auch nicht schlechter behandelt werden.