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Archiv-Artikel

Weg vom Pranger

Die SPD ließ Experten über die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ diskutieren und legt nun doch die Verfassungsschutzdebatte zu den Akten

„Radikaler Ausdruck bestimmter Diskurse, die es auch in der CDU gibt“

AUS STUTTGART CHRISTIAN RATH

Die Prozesse der Jungen Freiheit haben sich gelohnt. Die rechtslastige Wochenzeitung wird heute in keinem Verfassungsschutzbericht mehr angeprangert. Über Ursachen und Folgen dieser Entwicklung diskutierten Wissenschaftler und Verfassungsschützer auf Einladung der SPD im Stuttgarter Landtag.

Die 1986 gegründete Junge Freiheit (JF) gilt als intellektuelles Scharnier zwischen rechtsdemokratischen und rechtsextremen Positionen. Die Zeitung wurde deshalb jahrelang in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder Nordrhein-Westfalen sowie Baden-Württemberg aufgelistet. Nach einer Klage der JF erhöhte jedoch das Bundesverfassungsgericht im Mai 2005 die Hürden für die Aufnahme einer Zeitung in Verfassungsschutzberichte: Beiträge von Gastautoren dürfen einer Publikation nun nicht mehr automatisch zugerechnet werden.

Ob die JF zu Recht in den Verfassungsschutzberichten stand, blieb aber letztlich ungeklärt. Prozesse vor den Verwaltungsgerichten in Münster, Düsseldorf und Stuttgart endeten nach der Karlsruher Entscheidung jeweils mit einem Vergleich. Seitdem verzichten jedoch alle drei Landesberichte auf die früher übliche Erwähnung der Jungen Freiheit. Die Verfassungsschützer begründeten dies nicht nur mit den erhöhten Anforderungen aus Karlsruhe, sondern auch mit einer inzwischen erfolgten inhaltlichen Mäßigung der Zeitung. In diesem Sommer beantragte allerdings der baden-württembergische SPD-Landtagsabgeordnete Stephan Braun die Wiederaufnahme der Jungen Freiheit in den Stuttgarter Verfassungsschutzbericht. Doch Innenminister Heribert Rech (CDU) lehnte dies ab – und bot so den Anlass für die SPD-Anhörung.

Allerdings sprach sich auch hier keiner der Wissenschaftler für eine erneute Listung der Zeitung aus. Sie sei nicht insgesamt rechtsextremistisch und enthalte auch nicht vereinzelt Neonazi-Positionen, so der einhellige Tenor. Die JF bewege sich jedoch weiterhin in einer „nach beiden Seiten offenen Grauzone zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus“, sagte Michael Pechel, ein niedersächsischer Antifa-Experte. Helmut Kellershohn vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung sprach von einem „Extremismus der Mitte“. Die Diskussionen in der Jungen Freiheit, seien nicht randständig, sondern nur der „radikale Ausdruck bestimmter Diskurse, die es auch in der CDU gibt“ – etwa wenn das deutsche Volk als Kollektivsubjekt mit eigener Persönlichkeit gesehen werde statt als Summe von Individuen.

SPD-Mann Stephan Braun will den Streit um den Verfassungsschutzbericht nun nicht weiterführen. Stattdessen will er vom Land mehr Engagement bei der politischen Bildung fordern. „Viele Lehrer sind kaum in der Lage, einem rechtsextremen Hauptschüler Argumente entgegenzuhalten“, kritisierte auch Albert Scherr. Für den Freiburger Professor für Jugendpädagogik ist es deshalb „ein Skandal, dass angehende Lehrer keine Menschenrechtsausbildung bekommen“.

Die Junge Freiheit war zur Anhörung übrigens nicht eingeladen. Nach Auskunft des baden-württembergischen Innenministeriums wird sie vom Verfassungsschutz aber weiter „beobachtet“ – soll heißen: gelesen und ausgewertet.