: Streit um Bleiberecht
Union und SPD weiter uneins über Regelungen für bisher nur geduldete Ausländer. Kirchen enttäuscht
BERLIN dpa ■ Nach der Einigung der Länder-Innenminister gibt es neuen Streit in der großen Koalition über ein Bleiberecht für bislang nur geduldete Ausländer. Die SPD will die beschlossenen Verschärfungen nicht ohne weiteres mittragen und beharrt darauf, dass die Koalitionsabsprachen zwischen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) eingehalten werden. Auch Kirchen und Opposition kritisierten den bei der Innenministerkonferenz am Freitag vereinbarten Kompromiss.
Nach derzeitigem Stand können von diesem Montag an rund 20.000 Ausländer, die bereits einen ständigen Arbeitsplatz haben, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland beantragen. Die übrigen etwa 170.000 langjährig geduldeten Ausländer ohne feste Beschäftigung können sich nach Angaben des Bundesinnenministeriums ab sofort um eine Stelle bewerben. Falls sie bis Ende September 2007 dabei Erfolg haben, droht ihnen keine Abschiebung. Sie haben also etwa zehn Monate Zeit zur Jobsuche. Die Vereinbarung von Schäuble und Müntefering sah dagegen vor, dass diesen Menschen zwei Jahre Zeit zur Jobsuche gegeben werden sollte. Dies war jedoch am Widerstand vor allem aus den unionsregierten Ländern Bayern und Niedersachsen gescheitert.
Nach Ansicht der FDP ist Schäuble durch seine Parteifreunde in den Ländern „beschädigt“ worden. Hintergrund des „politischen Rohrkrepierers“ der Koalition sei „ein Machtkampf zwischen Bundes- und Landespolitikern“ der Union, sagte der FDP-Innenexperte Max Stadler.
Nach den Worten von SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper muss sich der geplante Gesetzentwurf der Bundesregierung an den zwischen Schäuble und Müntefering vereinbarten Eckpunkten orientieren. Die Innenminister hätten am Freitag in Nürnberg lediglich einen „Zwischenschritt“ beschlossen, sagte der SPD-Innenexperte der Financial Times Deutschland. Als „vernünftig“ verteidigte dagegen Schäuble die nun beschlossenen Regeln. Sie ergänzten die Absprachen in der Koalition, sagte er.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, kritisierte die Innenminister. Die Hoffnung, dass eine humane Lösung gefunden werde, habe sich nicht bestätigt, sagte Huber in Berlin.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sagte, sie gehe davon aus, das jeder zweite in Deutschland bisher geduldete Ausländer von der neuen Regelung profitieren werde. Im Deutschlandfunk machte auch sie deutlich, dass der Kompromiss nur ein „erster Schritt“ sei. Notwendig sei jetzt, dass auch auf Bundesebene die Bedingungen für geduldete Ausländer geändert würden. Auch für den Unionsinnenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) ist die Diskussion nicht zu Ende. „Ich reibe mir die Augen, wenn ich lese, dass sich die Koalition einig ist“, sagte er der Thüringer Allgemeinen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte der Netzeitung, der Beschluss der Innenminister sei „eine Mogelpackung und ein humanitäres Armutszeugnis“. Für die meisten Geduldeten stehe eine Lösung „in den Sternen“.