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Archiv-Artikel

MITREDEN, OBWOHL ICH KEINE AHNUNG HABE

10 schlaue Sätze zu Nan Goldin anlässlich ihrer Ausstellung in Berlin

„Fotografieren ist für Nan Goldin wie Sex.“ („Die Ballade der sexuellen Abhängigkeit“ ist ihr bekanntestes Werk, sie fotografierte ihre Freunde und sich selbst bei Sex und Selbstbefriedigung.)

„Sie ist ja die Mutter der Partyfotografie.“ (Stimmt. Aber der Armada von Facebook-Alben fehlt trotzdem das Intime, Authentische von Goldins Fotos. Wohl weil man Partybekanntschaften nicht so nahe ist wie der eigenen Familie.)

„Die ist doch Realitätsfundamentalistin, ist doch die!“ (Einer Studentin sagte Goldin einmal, niemand solle es wagen, Armut zu fotografieren, der sie nicht auch selbst erlebt habe.)

„Ihr Genie liegt weniger im Fotografieren als darin, Menschen nahezukommen.“ (Mit ihrem visuellen Tagebuch versuchte sie, all jene festzuhalten, die sie liebte. Mittlerweile zeigen ihre Bilder aus den 70er und 80er Jahren nur, was sie verloren hat, viele ihrer Freunde starben an Aids.)

„Für Goldin zerstört Photoshop die Welt.“ (Nan Goldin benutzt bis heute eine Analogkamera, verabscheut Photoshop und hält junge Künstler für zu zynisch.)

„Ihr Werk ist eine Art ‚Suche nach der verlorenen Zeit‘.“ (Sie fotografiert, um sich zu erinnern. Der Selbstmord ihrer Schwester gilt als ein Schlüsselereignis für ihr gesamtes Schaffen.)

„Der Markt ist ihr egal.“ (Angeblich ist ihr erst 1979 klargeworden, dass es überhaupt einen gibt – als neben ihrer New Yorker Galerie eine Gucci-Filiale eröffnete. Der Umgang mit Geld wurde offenbar bis heute nicht ihr Ding: 2009 versteigerte sie aus Not ihre Kuriositätensammlung bei Christie’s.)

„Sie hat den heroin chic lange vor Kate Moss populär gemacht.“ (Quatsch, das werfen ihr Kritiker wie Bill Clinton zwar vor. Doch Goldins Bilder beschönigen nichts.)

„In Berlin hatte Goldin die beste Zeit ihres Lebens.“ (Sagt sie, obwohl ihr damaliger Freund Brian sie 1984 dort fast zu Tode prügelte.)

„Vor ihren Bildern fallen Männer zurück in die Pubertät.“ (Die sagen dann solche Dinge wie: „Das ist doch nicht etwa deine Hand an Brians Schwanz …?“ Das habe sie oft verletzt, sagt Goldin.)

■ Ariane Lemme sah – wie viele ambitionierte FotografInnen der 90er – in Goldin ein Vorbild. Auch sie liebt ihre Freunde, stellte aber fest, dass ihr eigenes Leben deutlich langweiliger ist als das der New Yorker Boheme, und gab das Fotografieren auf