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Archiv-Artikel

Keine Freiheit für den Präsidenten

Mutmaßlicher Drogenboss bleibt in Untersuchungshaft. Bundesverfassungsgericht hatte lange Haftdauer bemängelt

Nach einwöchiger Beratung hat das Landgericht eine Entlassung des mutmaßlichen Drogenbosses Mahmut U. und sieben weiterer Angeklagter aus der Untersuchungshaft abgelehnt. Da die Angeklagten mit langjährigen Freiheitsstrafen zu rechnen hätten, bestehe weiterhin Fluchtgefahr, argumentierte das Gericht.

Darüber hinaus sei die Dauer der Untersuchungshaft im Hinblick auf die zu erwartende Strafe von 5 bis 15 Jahren auch nicht unverhältnismäßig. Selbst bei Berücksichtigung der Vorstrafen und einer eventuellen Strafmilderung seien die Angeklagten, die zum Teil bereits seit 23 Monaten in Untersuchungshaft sitzen, von „dieser Grenze noch weit entfernt“, hieß es gestern. Aus jetziger Sicht bestehe nach Aktenlage für die Angeklagten die „hohe Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, in den Jahren 2003 und 2004 in unterschiedlicher Beteiligung mit rund elf Kilogramm Kokain, aber auch größeren Mengen Heroin und Haschisch gehandelt zu haben. Die Drogen sollen überwiegend aus den Niederlanden nach Deutschland geschmuggelt und auch von U., dem selbst ernannten „Präsidenten“, verkauft worden sein.

Vor knapp vier Wochen hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss die lange Haftdauer als „verfassungswidrig“ bezeichnet, weil die obersten Richter die vom Berliner Kammergericht genannten Haftgründe als unzureichend ansahen. Mit Bezug auf den Beschluss hieß es, dass sich die Kammer nicht daran gebunden fühle. Die Bundesrichter hätten nicht von einer generellen Verfassungswidrigkeit gesprochen.

Die Haftbeschwerde der Angeklagten war insbesondere mit einem Verstoß gegen das sogenannte Beschleunigungsgebot in Strafverfahren begründet worden. Das Großverfahren war im ersten Anlauf nach drei Monaten wegen Befangenheit zweier Richter in Folge unzulässiger Absprachen geplatzt und hatte im September neu begonnen.

Ein „Ablehnungsgesuch“ gegen die Richter könne nicht zur Folge haben, dass die Haftfortdauer verfassungswidrig sei, so das Landgericht. Nach Verkündung des Beschlusses wurde die Verhandlung auf Antrag der Verteidigung unterbrochen. Ein Anwalt bezeichnete den Beschluss „zynisch und überheblich“. Er kündigte an, einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu prüfen. DDP