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Archiv-Artikel

Neue Justizsenatorin mit Machtbewusstsein

Künftige Chefin der Justizverwaltung wird die Präsidentin des Brandenburger Rechnungshofes, Gisela von der Aue. In ihrer Behörde hatte sie mit einer Strafanzeige gegen den Vizepräsidenten Arnulf Hülsmann für Wirbel gesorgt

Wenn nicht gerade Häftlinge aus Gefängnissen ausbrechen oder eine Sonderabteilung zur strafrechtlichen Aufarbeitung der Affäre um die Bankgesellschaft zu gründen ist, hört man wenig von einer Berliner Justizsenatorin. Nach dem Ausscheiden von Karin Schubert übernimmt nun die bisherige Präsidentin des Brandenburger Landesrechnungshofes, Gisela von der Aue (SPD), das Amt. „Sie ist eine Juristin mit hoher Qualifikation“, lobte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern.

Dennoch darf die Nominierung der 57-Jährigen als Signal an die Berliner Sozialdemokraten gewertet werden. Sowohl Wowereit als auch SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller betonten, wie tief von der Aue seit Jahren in der Berliner SPD verankert sei. Auch die Frauen in der Partei dürfen sich berücksichtigt fühlen: Von fünf SPD-Senatoren sind zwei weiblich.

Die neue Justizsenatorin, die sich gestern Abend der SPD-Fraktion vorstellen wollte, war viele Jahre in der Berliner Verwaltung tätig. Zuletzt arbeitete sie im Wissenschaftlichen Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses, bevor sie 1994 als Referentin zur brandenburgischen SPD-Fraktion nach Potsdam wechselte. Sie ist mit dem Direktor des Abgeordnetenhauses, Hartmann von der Aue, verheiratet und hat drei Kinder.

1998 wurde die Juristin, die als machtbewusst gilt, Präsidentin das Landesrechnungshofes in Potsdam. Mit einer Strafanzeige gegen ihren Vizepräsidenten Arnulf Hülsmann sorgte sie in und außerhalb ihrer Behörde für Wirbel. Hülsmann soll von 1999 bis 2001 bei Dienstreisen unzutreffende Angaben gemacht haben und etwa 2.500 Euro zu viel kassiert haben. Weitere Ungereimtheiten gab es laut Anklage bei Kilometerabrechnungen mit einer Hotelgesellschaft im Bayerischen Wald, an der Hülsmann beteiligt ist.

Der Bundesgerichtshof in Leipzig hatte Ende September den Freispruch des Potsdamer Landgerichtes aufgehoben und den Fall an eine andere Kammer des Gerichtes nach Potsdam zurückverwiesen. Es habe eine Reihe von belastenden Indizien gegeben, die die Potsdamer Richter unzureichend gewürdigt hätten. Der Christdemokrat Hülsmann, der seit April 2003 mit vollen Bezügen vom Dienst suspendiert ist, hatte im Prozess von der Aue Mobbing vorgeworfen. Für den Rechnungshof, in Anhänger von der Aues und Hülsmanns gespalten, könnte die Berufung der bisherigen Chefin nach Berlin also auch eine Chance für einen Neuanfang sein. RICHARD ROTHER