: „Dialog ist die einzige Lösung“
KOREA-KONFLIKT Südkoreas früherer Vereinigungsminister Lim Dong Won macht vor allem die Regierung in Seoul und die USA für die Spannungen in der Region verantwortlich
■ (76) war ein Architekt der „Sonnenscheinpolitik“ genannten südkoreanischen Entspannungspolitik gegenüber dem Norden unter Präsident Kim Dae Jung (1998 bis 2003). Der erhielt im Jahr 2000 den Friedensnobelpreis. Der frühere Diplomat Lim war unter Kim zunächst Spionagechef und dann Wiedervereinigungsminister.
taz: Herr Lim, im Konflikt mit Nordkorea verlangen die USA und Südkorea von China, Druck auf Pjöngjang auszuüben. Wie viel Macht über Nordkorea hat China wirklich?
Lim Dong Won: Chinas Einfluss auf Nordkorea ist sehr groß und in den letzten Jahren immer stärker geworden. Doch China macht seinen Einfluss nicht geltend, weil es die Position der USA und Südkoreas nicht teilt. China ist für die schnelle Wiederaufnahme der Sechsparteiengespräche. Südkorea und die USA stellen aber Bedingungen. China drängt die USA zudem zu bilateralen Gesprächen mit Nordkorea wie Südkorea zur Wiederaufnahme des innerkoreanischen Dialogs. Doch Südkoreas Regierung wartet lieber ab und setzt auf den Kollaps des Nordens. Das will China auf keinen Fall.
Warum sind direkte Gespräche mit Nordkorea gut?
Ohne Dialog nehmen die Spannungen weiter zu.
Belohnt ein Dialog nicht Nordkorea für den Beschuss der Insel Yeonpyeong im November?
Dialoge belohnen keine Seite, sondern sind im Interesse aller. Für Fortschritt müssen alle Konzessionen machen. Dialog ist die einzige Lösung.
Schon bisher hielt sich Nordkorea nicht an Abmachungen.
Auch die USA und Südkorea hielten Vereinbarungen nicht ein. So wurde bei den Sechsparteiengesprächen vor zwei Jahren vereinbart, dass Nordkorea von China, Russland, den USA, Japan und Südkorea 100.000 Tonnen Öl für die Demontage seiner Atomanlagen erhält. China, Russland und die USA lieferten, doch Japan nicht und Südkorea nur 70 Prozent. Deshalb beschwerte sich Nordkorea. Auch sollte die Demontage von Nordkoreas Atomanlagen mit der Normalisierung der Beziehungen durch die USA einhergehen. Das ist nicht passiert. Jetzt bestehen die USA und Südkorea auf Abbau vor Normalisierung. Ein klarer Bruch.
Sind die Militärmanöver Südkoreas und der USA sinnvoll?
Die Manöver sollen Druck ausüben, damit sich Nordkorea auf Washingtons und Seouls Bedingungen einlässt. Das ist aber unwahrscheinlich.
Wie erklären Sie Nordkoreas Versenkung einer südkoreanischen Korvette im März mit 46 Toten und den Beschuss Yeonpyeongs mit vier Toten?
Südkoreas Regierung hat erklärt, dass ein nordkoreanischer Torpedo das Schiff versenkte. Aber in Südkoreas Zivilgesellschaft wie unter Wissenschaftlern gibt es Widerspruch. Sie fordern mehr Untersuchungen. Siebzig Prozent der Südkoreaner haben Zweifel.
Niemand zweifelt an Nordkoreas Angriff auf Yeonpyeong.
Das war sehr ernst, Nordkorea sollte das nicht machen. Es war das vierte Mal seit dem Waffenstillstand 1953, dass südkoreanischer Boden von Nordkorea aus angegriffen wurde. Damit will Nordkorea zeigen, dass die koreanische Halbinsel ohne Friedensabkommen eine der gefährlichsten Regionen ist, und drängt so zu Gesprächen.
Südkoreas jetzige Regierung erklärte die Sonnenscheinpolitik als Fehler und für beendet.
Die konservative Regierung sieht Nordkorea vor einem Kollaps und baut auf Sanktionen und Druck. Die progressiven Parteien dagegen sehen Nordkorea Chinas Weg folgen und damit einen graduellen Wandel.
Laut Kritikern nutzte Nordkorea die Entspannungspolitik des Südens, um seine Atomanlagen auszubauen.
Ich sehe keinen Zusammenhang. Nordkoreas Atomprogramm ist das Produkt feindlicher Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea. Ohne normale Beziehungen zwischen beiden kann der Atomstreit nicht gelöst werden. Nordkoreas Atomprogramm ist zwanzig Jahre alt. Unter US-Präsident Clinton hatte Nordkorea das Programm nach dem Genfer Rahmenabkommen gestoppt. George W. Bush hinterfragte Clintons Politik, zählte Nordkorea zur „Achse des Bösen“ und redete einem Regimewechsel das Wort. Darauf nahm Nordkorea das Atomprogramm wieder auf.
Welche Erfolge hatte denn die Sonnenscheinpolitik?
Sie hat zehn Jahre lang Spannungen reduziert und Vertrauen aufgebaut. Die jetzige Politik wird sich bald wieder umkehren. Die Regierung wird Wahlen zu bestehen haben. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat die Sonnenscheinpolitik unterstützt.
INTERVIEW: SVEN HANSEN