: HipHop mit Hirn und Herz
Mit „Game Theory“ haben die intellektuellen Ausnahme-HipHopper „The Roots“ vor kurzem das druckvollste und politischste Album ihrer 19-jährigen Karriere vorgelegt. Morgen Abend stellen sie es in der Großen Freiheit vor
Es war der zweite Schultag an der Kunsthochschule von Philadelphia, als Ahmir Thompson einen Abstecher ins Lehrerzimmer machte, um sich seinen Mensapass abzuholen. Dort traf er das erste Mal auf Tariq Trotter. Ein geschichtsträchtiges Ereignis: Der Jazzschlagzeuger und der MC beschließen, als Duo Musik zu machen. Geld für Plattenspieler und Mikrophone gibt es nicht und so kombinieren die zwei kurzerhand Trotters Sprechgesang mit Thompsons Getrommel, nennen sich die „Square Roots“ und geben sich Künstlernamen. Aus Trotter wird „Black Thought“ und aus Thompson „?uestlove“.
Am Valentinstag 1989 treten die „Square Roots“ schließlich das erste Mal vor ein zahlendes Publikum. Eine ernüchternde Erfahrung: Ihre Klassenkameraden von „Boyz II Men“ stehlen ihnen mit schillernden Outfits und glitzernden Haaren die Show. Die zwei lassen sich dennoch nicht entmutigen und präsentieren in den Straßen des Stadtteils South Street mit Eimern, Pfannen und anderem Haushaltsgerät unermüdlich ihre grobe Version des HipHop. Auftritte in ausgesuchten Konzertsälen folgen und bescheren den „Square Roots“ viel Beachtung in der Szene.
Bis zu „The Roots“ ist es nun nur noch ein kleiner Schritt. Als Black Thought sich Anfang der 90er an der Universität einschreibt, trifft der Ausnahme-MC endlich die Kollegen, mit denen er seine Träume verwirklichen kann. Rapper Malik B., Bassist Leonard Hubbard und Keyboarder Scott Storch stoßen zur Band, deren Name fortan auf „The Roots“ verkürzt wird.
Zwei Jahre dauert es, bis das erste Album „Organix“ beim Indie-Label „Remedy Records“ erscheint, drei Jahre später unterschreiben die „Roots“ einen Vertrag mit dem Major „Geffen“ und veröffentlichen mit „Do You Want More?!!!??!“ ein Album, das den Weg der inzwischen neunköpfigen Band vorzeichnet. Zur Hochphase des Sampling spielen die „Roots“ das Album komplett live ein. „Organischen HipHop“ nennen die Vegetarier ihren Stil und stellen auf der Lollapalooza-Tour und dem Jazz Festival in Montreux ihre Livequalitäten eindrucksvoll unter Beweis. 1999 folgt schließlich mit dem vierten Album „Things Fall Apart“ auch der kommerzielle Durchbruch und mit dem Song „You Got Me“ – zusammen mit Eryka Badu – ein Grammy.
Seit August steht nun das siebte „Roots“-Album „Game Theory“ in den Regalen. Veröffentlicht auf Jay-Zs angesehenem Eastcoast-Label „Def Jam“, beweist das bislang druckvollste, düsterste, präziseste und politischste Werk der Combo aus Philadelphia ein weiteres Mal, dass sie nicht umsonst als das „Herz des engagierten HipHop“ gehandelt wird.
Ein vor allem live mitreißend lebendiges Herz, angetrieben vom besten Drummer und einem der besten MCs der HipHop-Welt, als die ?uestlove und Black Thought heute unbestritten gelten können. ROBERT MATTHIES