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Archiv-Artikel

Leckere Landschaftspfleger

TIERE Zutrauliche Wasserbüffel, blond gelockte Galloway-Rinder: Die Tiere eines Bioland-Hofs am Rande der Döberitzer Heide produzieren Fleisch und erhalten dabei Biotope. Das tun sie auch immer öfter in Berlin – und alle profitieren davon

Weiden für die Umwelt

■ In Berlin gibt es inzwischen rund ein Dutzend Beweidungsprojekte, die durch das Land, den Bund und/oder die EU gefördert werden. Die Oberste Naturschutzbehörde des Landes Berlin – angesiedelt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt – unterstützt derzeit acht Projekte.

■ Ein weiteres Projektbeispiel ist das Pankower Naturschutzgebiet „Falkenberger Rieselfelder“ – dort kümmert sich die Naturschutzstation Malchow schon seit 1998 um den Erhalt der baumarmen Geländestruktur mit Gras- und Staudenfluren sowie Gewässern. Eingesetzt werden dabei sogenannte Abbildzüchtungen, die ausgestorbenen wilden Rassen ähneln: das dem Auerochsen ähnelnde Heckrind sowie die Pferderasse Liebenthaler Wildling.

■ Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) lässt bereits im vierten Jahr eine kleine Gruppe Wasserbüffel auf der Pfaueninsel weiden. Die Tiere stammen von der Züchterin Sonja Moor aus Hirschfelde (Barnim) – bekannt unter anderem durch die Bücher ihres Mannes, des Fernsehmoderators Dieter Moor. (taz)

VON CLAUDIUS PRÖSSER

Helmut Querhammer hat den Besucher vorgewarnt: „Ein Rind geht seiner Wege, aber ein Wasserbüffel kommt und sagt Guten Tag.“ Genauso ist es dann auch. Die muskulösen schwarzen Tiere mit den mächtigen Hörnern kommen angerannt, als wären sie überdimensionale Haushunde. Sie schnuppern, lecken die Hand mit ihrer gewaltigen, zartlila Zunge und lassen sich streicheln. Die Haut unter den Borsten ist grob und ledrig, aber an den weichen Stellen hinter den Ohren darf man gerne etwas länger kraulen.

Natürlich stehen Querhammers Wasserbüffel nicht zum Verwöhntwerden auf der Wiese, sondern zum Fressen. Und es ist auch keine Wiese, wie man sie unter einem beliebigen Hochleistungsrind erwarten würde, üppig grün und saftig, sondern hartes Gewächs, auch Binsen und Schilf, die um einen kleinen Wasserlauf sprießen. Rinder würden das nicht mögen, und sie würden vor allem nur ungern im Nassen stehen. Einem Wasserbüffel macht beides nichts aus, im Gegenteil: Wie der Name sagt, hält er sich gerne am und im Wasser auf. Und das struppige Grünzeug verwandelt er Tag für Tag, ohne übermäßige Eile, in hochwertiges mageres Fleisch.

Dass Büffelfleisch ein Genuss ist, hat sich längst herumgesprochen rund um Potsdam-Fahrland, am Rand der Döberitzer Heide, wo Helmut Querhammer und seine Frau Simone ihren kleinen Bioland-Hof betreiben. Dort geht an diesem Tag im Zehnminutentakt die Klingel: Kundschaft. Ältere Paare, Familien mit Kindern, alle mit Kühlboxen in der Hand. Vor ein paar Tagen wurde geschlachtet, und jetzt gehen im Kellerladen des Hofs Schaufel-, Hüft- und Rollbraten über die kleine Theke, Filet, Beinscheibe oder Roulade, Ochsenschwanz und, ja: auch die Zunge, die auf der Weide im Einsatz zu bewundern ist. Wer unangemeldet kommt, kriegt höchstens noch etwas Hack ab: Alles andere ist meist schon einen Monat im Voraus reserviert.

Milch wird auf dem Querhammer-Hof nicht produziert, obwohl aus Büffelmilch der einzig echte Mozzarella hergestellt wird, eine Delikatesse. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist das Melken bei dieser Tierart eine Sache für sich: „Wasserbüffelkühe sind sehr sensibel“, weiß Querhammer, „wenn es da mal schnell gehen soll, drehen die einfach den Hahn zu und legen sich hin.“ Aber die Büffel und die kleine Herde Galloway-Rinder machen außer Fleisch noch etwas, was sich mit einem Melkbetrieb nicht gut vereinbaren ließe: sie arbeiten in der Landschaftspflege.

Als vor einem Vierteljahrhundert die Mauer fiel, nahm der Spandauer Landschaftsgärtner Querhammer bald Kontakt zu Naturschützern in Brandenburg auf. Den damals 35-Jährigen faszinierte die Döberitzer Heide, jahrzehntelang Panzerübungsplatz der Roten Armee, ein bewaldetes Areal zwischen Potsdam und Spandau, wo die jahrzehntelange militärische Aktivität zerstörerisch schöpferisch gewesen war und Freiflächen geschaffen hatte – Biotope für viele seltene Pflanzen- und Tierarten.

Das Konzept „Grasfressen statt Mähen“ schafft eine Win-win-Situation

Diese Flächen galt es aus Sicht der Naturschützer unbedingt vor dem natürlichen Lauf der Dinge zu bewahren: der drohenden Verbuschung und anschließenden Bewaldung. Nicht dass Menschen wie Helmut Querhammer etwas gegen Wald hätten. Aber sie wissen, dass Mitteleuropa seit Langem von Kulturlandschaften geprägt ist, die einen eigenen Wert besitzen. Halboffene Heidelandschaften gehören dazu. Kaum noch zu finden sind in Deutschland „Hutewälder“: lichte Wälder, in die das Vieh zum Weiden getrieben wurde, mit einzelnen großen Bäumen.

Schon 1992 fing Querhammer an, mit den ersten Galloways Landschaftspflege am Rand der Döberitzer Heide zu betreiben. Heute weiden rund 40 Mutterkühe mit ihren Nachkommen auf den Flächen am Rande des strenger geschützten Kerngebiets, das jetzt der Sielmann-Stiftung gehört. Im Gegensatz zu den Wasserbüffeln, die im Winter eine Überdachung benötigen, kann die aus Schottland stammende wuschelige Rinderrasse Kälte sehr gut vertragen. „Die Tiere lassen sich regelrecht einschneien“, erklärt ihr Besitzer.

In der Mittagshitze haben sich die Galloways unter niedrige Bäume zurückgezogen.

Die Rinder und Wasserbüffel fühlen sich in diesem großstadtnahen Idyll sichtbar wohl. Aber auch in der Stadt sind sie immer häufiger anzutreffen: Ein Teil der Querhammer-Tiere beweidet im Sommer Berliner Landschaftsschutzgebiete, in diesem Jahr neun Wasserbüffel auf den Spandauer Tiefwerder-Wiesen, sieben weitere im Landschaftspark Rudow-Altglienicke. Und am Spandauer Hahneberg halten Galloways aus Fahrland die Wiesen kurz (Tiere weiterer Landwirte: siehe Kasten).

Nach einigen Jahren Erfahrung scheint klar zu sein: Das Konzept „Beweidung statt Mahd“ – vulgo: Grasfressen statt Mähen – schafft eine Win-win-Situation. Das bestätigt Holger Brandt, der bei der obersten Naturschutzbehörde des Landes die Beweidungsprojekte koordiniert: Die Tierhalter dürften die Weideflächen nutzen und erhielten eine Risikoabsicherung vom Land. Im Gegenzug ersparten die Tiere den Bezirken die gerade bei feuchten Standorten teure maschinelle Pflege und die Antwort auf eine lästige Frage: Wohin mit dem geschnittenen Gras? Anstatt es tonnenweise in Kompostieranlagen zu fahren, wird es vor Ort zu Dünger und Fleisch.

Das ist der Wasserbüffel

■ Wer das südliche Asien bereist hat, kennt natürlich den Wasserbüffel: Die meisten der weltweit rund 150 Millionen domestizierten Exemplare der Rinderart Bubalus arnee werden zwischen Indien und den Philippinen als Arbeitstiere, Milch- und Fleischlieferanten gehalten. Wilde Wasserbüffel stehen dagegen als „gefährdet“ auf der Roten Liste.

■ Aus Europa ist der Wasserbüffel vor rund zehntausend Jahren verschwunden. Allerdings wurde er vor mehreren hundert Jahren wieder nach Südeuropa eingeführt. In Italien, Rumänien und Bulgarien gibt es größere Bestände. Der echte Mozzarella-Käse (Mozzarella di Bufala Campana) wird aus Wasserbüffelmilch hergestellt, die mehr Fett enthält aus Kuhmilch. In Deutschland halten Züchter heute an die 2.000 Exemplare.

■ Alle Wasserbüffel haben mächtige Hörner, bei manchen Rassen ragen die Spitzen bis zu zwei Meter auseinander. Die Tiere bevorzugen Feuchtgebiete wie Flusstäler als Lebensraum, gerne nehmen sie Schlammbäder. Gegenüber dem Menschen verhalten sich die domestizierten Büffel ausgesprochen friedlich. (clp)

Ausgeschöpft ist das Potenzial noch lange nicht: „Wir suchen weiter Partner für die Beweidung“, sagt Brandt. Zu den nächsten Projekten dürften Abschnitte des Teger Fließtals gehören, das für den Wasserbüffel wie gemacht ist. Aber auch den Flughafen Tegel hat Brandt schon im Visier: „Wenn die Fläche nach dem Umzug zum BER nachgenutzt wird, könnte ein Teil als Naturlandschaft entwickelt werden.“ Diese „Tegeler Stadtheide“, so der Arbeitstitel, würde vermutlich von Schafen kurz gehalten.

„Die Tiere gehören als Blickfang in die Landschaft“, findet auch Querhammer. Aber natürlich weiß er auch, dass viele den Büffel oder das Rind mehr als Blickfang auf dem Teller schätzen. Für ihn, der sich bei Slow Food engagiert und an Demos gegen die Agrarindustrie teilnimmt, ist das durchaus stimmig: „Ich fühle mich ja dafür verantwortlich, dass auch der Tod vernünftig eintritt.“ Sprich: Weil sie Herdentiere sind, werden die Galloways immer zu zweit oder zu dritt in einen nahen kleinen Schlachtbetrieb gebracht und im Freien getötet. Ein Mitarbeiter von Querhammer, den die Rinder kennen, ist dabei. Für die Büffel gibt es eine Sondergenehmigung: Sie dürfen auf der Weide geschlachtet werden.

Was dann nach Zerlegung und Hofverkauf in der Pfanne oder auf dem Grill der Kunden landet, hat seinen Preis. Aber es ist ein mit hohen Ansprüchen erzeugtes und ausgesprochen aromatisches Fleisch. Mit – wenn man so will – einer kräftigen Prise Umweltschutz.