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Archiv-Artikel

Kinderquatsch mit Marco

TV Ein Mitarbeiter bescherte dem kleinen Kinderkanal einen der größten Betrugsfälle in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Niemand will etwas bemerkt haben

Marco K. hat in Erfurt Hausverbot – und vor allem der MDR ein erhebliches Problem

VON STEFFEN GRIMBERG

Bernd das Brot hat es immer gewusst: Der echte Kinderkanal zeigt sein Gesicht eben erst nach Sendeschluss. Mit unseriösen Spielchen, Selbstverarschung wie -verachtung – und mit gnadenloser Zockerei. Bernd, das coolste Brot des Fernsehens, hat längst etwas geahnt vom ausgekochten System des Herstellungsleiters Marco K., der nun dem kleinen Kanal einen der größten Betrugsfälle in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beschert. Und das auch noch zum Fest der Kinder, mitten in der ach so seligen Weihnachtszeit.

Vier Millionen Euro soll der Schaden betragen, dagegen nehmen sich der ARD-Schleichwerbe-Skandal wie bei „Marienhof“ vor einigen Jahren oder die Extra-Drehbuchhonorare für die unter Pseudonym für sich selbst tätige ehemalige NDR-Fernsehfilm-Chefin Doris Heinze geradezu mickrig aus. Und das bei einem kleinen, von ARD und ZDF gemeinsam betriebenen Sender, der einen Jahresetat von gerade einmal rund 37 Millionen Euro hat.

Nun ermitteln die Behörden gegen den Leitenden Angestellten des gemeinsam von ARD und ZDF in Erfurt betriebenen Kanals. Ihm werden nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der thüringischen Hauptstadt vom Dienstag letzter Woche gewerbsmäßiger Betrug und gewerbsmäßige Untreue in 72 Fällen vorgeworfen, noch am Dienstagmorgen wurde Marco K. im Sender festgenommen. Der Sender suspendierte ihn umgehend, spätestens seitdem wird gerechnet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings schon seit Monaten, und ARD-intern ist von Prüfberichten zum Kika die Rede, die zumindest Anlass für weitere Nachfragen hätten bieten sollen und müssen.

Denn Marco K. hatte als zweiter Mann des Senders in den vergangenen fünf Jahren Rechnungen über erfundene Dienstleistungen bestätigt und deren Bezahlung veranlasst. Alles lief über eine Produktionsfirma in Berlin – die seit dem dichtgemacht hat. Deren mitbeschuldigter Geschäftsführer soll, so die Staatsanwaltschaft, einer Verabredung gemäß zunächst 50 Prozent, später 60 Prozent der Summen an Marco K. zurückgezahlt haben.

Aufgeflogen ist all das aber nicht durch Kontrollmechanismen beim Kika – in Erfurt gibt es für die interne öffentlich-rechtliche Aufsicht nämlich wie bei den anderen Gemeinschaftsprogrammen wie Phoenix oder 3sat keine eigenen Gremien.

Wie bei Kindern üblich, übernehmen also die Erziehungsberechtigten ARD und ZDF für den Kika die Arbeit – wobei für die ARD der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) zuständig ist. Der sitzt ein Bundesland weiter in Dresden, das ZDF noch ein bisschen weiter entfernt in Mainz.

Dies sollte nichts machen in Zeiten kinderleichter digitaler Kommunikationswege, könnte man meinen. Doch nicht das System selbst kam sich auf die Schliche. Die Staatsanwaltschaft begann ihre Ermittlungen, weil der Geschäftsführer der Berliner Produktionsfirma sich im Oktober selbst angezeigt hatte. Offenbar war hatte er sich mit Marco K. überworfen.

Der hat nun seit zehn Tagen in Erfurt Hausverbot – und vor allem der MDR ein erhebliches Problem. „Es ist jetzt unsere Aufgabe, diese Lücke im Kika aufzudecken“, hatte Kika-Chef Steffen Kottkamp treu der FAZ gesagt. Ihm nimmt man das auch gerne ab, schließlich sind sie alle ziemlich nett beim mit gerade mal 150 Mitarbeitern für ARD-Verhältnisse geradezu überkleinen Sender. Der dazu noch den öffentlich-rechtlichen Kernauftrag – intelligente Information, Bildung und Unterhaltung so gekonnt zu bedienen weiß, dass sich die „großen“ Programme eigentlich schämen sollten. Übrigens auch mit den von Marco K. verantworteten Produktionen.

Doch nun ist die kindliche Unschuld dahin, wir sind plötzlich ganz real im in nicht jugendfreien Programm. Marco K., in Erfurt stadtbekannt, sei ja auch arg häufig im Spielcasino gesichtet worden, wollen jetzt viele schon immer gewusst haben. Und die ARD macht es wie immer noch ein bisschen schlimmer: Es habe „zwar einige Beanstandungen, aber keinerlei Hinweise auf diesen Betrugsfall“ gegeben, sagte MDR-Intendant Udo Reiter der dpa gestern in einem „Exklusivinterview“. Der Beschuldigte sei „ein Mitarbeiter der ersten Stunde, der den Kika mit aufgebaut hat und jeden Winkel des Senders kannte“. Das habe er „wahrscheinlich rücksichtslos ausgenützt und alle Kontrollen und Warnmechanismen umgangen“, sagte Reiter und warnte vor „blindem Aktionismus“. Im ARD-eigenen Medienmagazin „Zapp“ mochte sich Reiter dagegen nicht äußern. Aber vielleicht ruft er ja heute Abend bei „Bernd das Brot“ an.