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Archiv-Artikel

Kurz vor der Abschiebung

FLÜCHTLINGE II Einen Tag nach der Räumung der Mahnwache am Breitscheidplatz sitzt einer ihrer Teilnehmer bereits in Abschiebehaft. Unterstützer fordern für ihn Asyl von der Kirche

Einen Tag nach der Räumung des Breitscheidplatzes haben sich zehn der elf Flüchtlinge aus Burkina Faso wieder in Heimen in Sachsen-Anhalt befunden. Ein weiterer saß am Mittwoch bereits in Abschiebehaft. Am Mittwochnachmittag habe das Amtsgericht Merseburg Haftbefehl gegen den Mann erlassen, sagte Ulrike Diener von der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd der taz.

Erstmals seit Beginn der Flüchtlingsproteste in Berlin vor rund zwei Jahren waren Protestierende am Dienstag wegen Verstößen gegen die umstrittene Residenzpflicht in Gewahrsam genommen worden. Die Polizei beurteilte die Verstöße je nach Schwere als Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Sie erstattete in allen Fällen Anzeige. Die Integrationsbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Susi Möbbeck, sagte, sie bemühe sich darum, dass die Vergehen nicht geahndet werden.

Eigentlich hatte Möbbeck am Mittwoch nach Berlin reisen wollen, um gemeinsam mit Vertretern der evangelischen Landeskirche und den Flüchtlingen über mögliche Lösungen für ihre Probleme zu sprechen. Die Flüchtlinge forderten seit Anfang Mai das Bleiberecht. Erst traten sie auf dem Alexanderplatz in einen trockenen Hungerstreik, dann forderten sie erfolglos Kirchenasyl in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Pfarrer Martin Germer will nun stattdessen mit einer Delegation der Landeskirche nach Sachsen-Anhalt fahren. Man sei bemüht, die Situation der Flüchtlinge im Auge zu behalten. Die Kirche wolle ihnen signalisieren, dass sie nicht vergessen seien.

Nicht an einem Strang

In den vergangenen eineinhalb Wochen, die die Flüchtlinge auf dem Breitscheidplatz verbrachten, hat sich neben der Kirche auch ein Kreis von UnterstützerInnen um die Asylbewerber gekümmert. Dabei zogen die beiden Gruppen keineswegs an einem Strang. Pfarrer Martin Germer sagte der taz, dass von Anfang an absolutes Misstrauen vonseiten der Unterstützer gegen die Kirche geherrscht habe. „Das, was während der Gespräche aus den Reihen der Unterstützer kam, war wenig hilfreich.“

Eine Sprecherin dieser UnterstützerInnen sagte der taz, dass sie bei den Gesprächen lediglich gedolmetscht und nur geringen Einfluss auf die Handlungen der Flüchtlinge gehabt hätten und nehmen wollten: „Die Flüchtlinge haben stets selbstständig gedacht und gehandelt.“ Die UnterstützerInnen forderten die Kirche jetzt auf zu handeln: „Die Kirche hat immer wieder betont, dass sie nur Menschen schützen kann, die von einer Abschiebung bedroht sind.“ MARKUS MAYR