Umwege zur Kunst

KARRIERESPRUNG „Zeit“-Feuilletonchef Florian Illies wird Kunsthändler

Wann immer es darum geht, die Bedeutung des Auktionshauses Villa Grisebach zu erläutern, fallen drei Stichworte. Erstens das Haus. Die Villa Grisebach, 1890 als Stadtvilla im gehobenen Teil Charlottenburgs errichtet, sticht bis heute durch ihren Villa-Kunterbunt-Charme aus der gediegenen Westberliner Fasanenstraße heraus. Zweitens das Geld. Einmal hat man hier fast vier Millionen Euro auf einer Auktion erzielt, für Max Beckmanns „Anni“; siebenstellig rechnet man häufig. Drittens die Namen. Neben Beckmann kommen hier Menzel, Franz Marc, Lyonel Feininger usw. unter den Hammer.

Man kann es auch so formulieren: Hier geht es um geschmacklich abgesicherte Kunst für Leute mit Geld. Dafür hat Florian Illies, 39, nun den – zumindest potenziell – wichtigsten Intellektuellenjob Deutschlands aufgegeben. Von der Zeit, dessen Feuilletonchef er seit 2009 zusammen mit Jens Jessen ist, wechselt er im Sommer 2011 zu Grisebach, wo er als Partner eintritt. Statt der analytischen Potenziale von Kunst und deren Kritik pflegt er bald also wieder den Kunstmarkt.

Flexibilität gehört bekanntlich eh nicht zu seinen Schwächen. Er leitete bereits die „Berliner Seiten“ der FAZ, schrieb den Bestseller „Generation Golf“, war kurz Feuilletonchef der FAS und gründete das Kunstmagazin Monopol. Kürzlich pries Illies eindringlich Dirk von Petersdorffs Gedichtband „Nimm den langen Weg nach Haus“. Er selbst ist jetzt offenbar für sich in der Zielgeraden angekommen.

Bleibt die Frage, wie es bei der Zeit weitergeht. Dass sie mit der Kränkung fertig werden muss, nur ein Umweg in Illies’ schillerndem Lebensweg gewesen zu sein, ist das geringste Problem. Feuilletonistisch sieht man sich bei der Zeit in einer Umbruchssituation. Illies’ Wechsel hat nun alle überrascht. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sprach von einer „unerwarteten Entscheidung“ und will an der Doppelspitze festhalten. Illies soll bei Grisebach vor allem für die Kunst des 19. Jahrhunderts zuständig sein. Sein Nachfolger bei der Zeit hat einen größeren Aufgabenbereich vor sich. drk