Koalition setzt Verbraucher doch nicht unter Strom

BLUFF Das landeseigene Stadtwerk soll keine Energie an Berliner Haushalte verkaufen

Es ist unmöglich, die Stromproduktion auf die Nachfrage der Kunden abzustimmen

Das neue landeseigene Stadtwerk entpuppt sich als Bluff der Koalition: Das Unternehmen soll seinen Strom nicht an Berliner Haushalte verkaufen. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) sagte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, „dass kein Stromhandel durch das Stadtwerk zu betreiben ist“. Somit ist klar, dass es durch die Gründung des Stadtwerks auch nicht zu dem erhofften Umstieg vieler Privathaushalte auf erneuerbare Energien kommen wird.

Der Berliner Energietisch hatte einen Volksentscheid über die Gründung eines Stadtwerks angestrengt. Die Abstimmung war im November 2013. Die Koalition aus SPD und CDU hatte fünf Wochen vorher ein Alternativ-Konzept im Abgeordnetenhaus beschlossen – wohl auch in der Hoffnung, dem Volksentscheid dadurch Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Debatte hatte die Koalition den Eindruck erweckt, als würde auch ihr Stadtwerk Strom an die Berliner Haushalte verkaufen. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz sagte im Abgeordnetenhaus, beim Koalitions-Stadtwerk handele es sich um „ein an Hamburg orientiertes erfolgreiches Beispiel“. Die Hansestadt hatte im Jahr 2009 das landeseigene Ökostrom-Unternehmen Hamburg Energie gegründet und innerhalb von drei Jahren rund 100.000 Haushalte zum Umstieg bewogen.

Die Koalition in Berlin hatte beschlossen, das Stadtwerk als Tochterunternehmen der Wasserbetriebe ins Leben zu rufen. Zur Begründung sagte der SPD-Abgeordnete Buchholz, dadurch würden „Synergien genutzt beispielsweise bei der Kundengewinnung und beim Marketing“. Auch diese Aussage entpuppt sich nun als haltlos: Ohne Kunden wird das Stadtwerk weder Kundengewinnung noch Marketing betreiben.

Zur Begründung, warum das Stadtwerk nun doch keine Haushalte beliefern wird, verweist Yzer auf den Wortlaut des vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetzes. Darin heißt es: „Aufgabe des Unternehmens ist es, ausschließlich erneuerbare Energie zu produzieren und diese selbst-produzierte Energie am Berliner Markt zu vertreiben.“ Sie versteht diesen Satz so, als müsse das Stadtwerk sämtlichen Strom, den es verkauft, auch selbst produzieren und dürfe keinen Strom zukaufen. Da es aber unmöglich ist, die eigene Stromproduktion und die Nachfrage der eigenen Kunden genau aufeinander abzustimmen, setzen alle Stromanbieter auch auf Stromhandel – auch alle puren Ökostromanbieter, auch Hamburg Energie. Genau das soll den Berliner Stadtwerken aber verwehrt bleiben. Und deshalb sollen sie ihren Strom nicht an Privathaushalte verkaufen, sondern an Großhändler.

Der Energietisch hatte im Wahlkampf auf genau dieses Problem in dem Gesetzentwurf der Koalition hingewiesen. Die Koalition hatte die Problematik damals geleugnet.

Der energiepolitische Sprecher der Linksfraktion, Harald Wolf, kritisiert: „Das Stadtwerk erweist sich, im wahrsten Sinne des Wortes, als Nullnummer. Das ist so, als würde die Berliner Stadtreinigung eine Deponie betreiben, aber die Mülleimer nicht leeren.“ Der Senat düpiere damit „alle Bürgerinnen und Bürger, die ihm beim letzten Volksentscheid geglaubt haben und davon ausgegangen sind, dass er ein funktionsfähiges Stadtwerk aufbauen will“. Es werde deutlich, dass es der Koalition „nur darum ging, dem Energievolksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen“. SEBASTIAN HEISER