: Merkel spricht ein Machtwörtchen
Die CDU-Chefin stellt sich vor ihrem Parteitag gegen Bundespräsident Köhler und verteidigt den Rüttgers-Antrag, mehr Geld an ältere Arbeitslose auszuzahlen. Auch ihre Stellvertreter Wulff und Koch ziehen mit. Umgesetzt werden die Pläne aber kaum
AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF
Jetzt musste sie doch so etwas wie ein Machtwort sprechen. Eigentlich wollte Angela Merkel den Antrag ihres Parteivizes Jürgen Rüttgers aus Nordrhein-Westfalen, länger Arbeitslosengeld I an Ältere auszuzahlen, auf dem Parteitag unauffällig durchwinken. In CDU-Gremien signalisierte Merkel Zustimmung, öffentlich äußerte sie sich wochenlang gar nicht. Ihren Generalsekretär Ronald Pofalla ließ sie erklären, das Thema werde am Montag und Dienstag in Dresden „keine große Rolle spielen“.
Von wegen. Nachdem sich Hinz und Kunz sowie das Staatsoberhaupt in die Debatte eingeschaltet hatten, blieb Merkel nichts anderes übrig, als Stellung zu beziehen. Denn ausgerechnet Bundespräsident Horst Köhler, dem sie einst zu seinem Amt verhalf, kritisierte den CDU-Parteitagsantrag scharf. Zur Freude der SPD, die eine längere Auszahlung von Arbeitslosengeld I an Ältere ebenfalls ablehnt.
In der gestrigen Ausgabe der FAZ erklärte Merkel nun: „In der Sache halte ich den Antrag von Nordrhein-Westfalen, der sich auf die bereits geltende Beschlusslage der CDU stützt, für richtig.“ Sie widersprach Köhlers Auffassung, dass die Arbeitslosenversicherung nur Risiken abdecken und keine unterschiedlichen Ansprüche je nach Einzahlungsdauer begründen sollte. Eine „Staffelung beim Arbeitslosengeld“ nach Beitragsjahren habe die Union schon 2003, 2004 und im Wahlkampf 2005 gefordert, so Merkel. Auf den Einwand, dass trotzdem nicht alle CDU-Ministerpräsidenten für den Antrag von Rüttgers seien, entgegnete sie: „Warten Sie den Parteitag doch erst einmal ab.“
Ministerpräsident Christian Wulff aus Niedersachsen hat sich Merkels Argumentation bereits gefügt. „Wir sehen, dass dieser Antrag faktisch gültige Beschlusslage der CDU ist, und werden ihn unterstützen“, sagte der Generalsekretär des niedersächsischen Landesverbands, Ulf Thiele, der taz. „Die Frage, ob die CDU nach links rückt, hat mit diesem Antrag nichts zu tun.“ Sein Chef Wulff hatte sich kürzlich gegen Rüttgers’ allgemeine Forderungen nach einer sozialeren Ausrichtung der Union positioniert und vor einer „Linksverschiebung“ der Partei gewarnt.
Aus Rüttgers’ konkretem Antrag lässt sich eine solche Kurskorrektur tatsächlich nicht ablesen: Sollte er durchkommen – was wahrscheinlich ist – tritt die CDU, wie gehabt, dafür ein, älteren Arbeitslosen mehr und jüngeren Arbeitslosen weniger Geld zu geben. Um der Sorge vor einem Linksruck zu begegnen, bekräftigte Merkel ausdrücklich die Leipziger Beschlüsse von 2003. Sie unterstützt auch einen Antrag der baden-württembergischen CDU, den Kündigungsschutz zu lockern und die Tarifhoheit der Gewerkschaften auszuhöhlen. Auch CDU-Vize Roland Koch gibt sich damit zufrieden. Rüttgers’ Antrag berühre „keine Grundsatzfrage“, erklärte der Hesse. „Deshalb wird es mit mir auf dem Parteitag darüber keine Diskussionen geben.“
Die ostdeutschen Gastgeber spielen jedoch nicht mit. „Wir stimmen dem Rüttgers-Antrag nicht zu, weil wir der Meinung sind, dass er auch in der Sache falsch ist“, sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, der taz. Man wolle „nicht Generationen gegeneinander ausspielen“. Zudem benachteilige der Plan Frauen und Ostdeutsche, die weniger Beitragsjahre als westdeutsche Männer vorzuweisen hätten.
Die verbliebenen Kritiker versucht Merkel auf ihre Art zu beruhigen: Mit versteckten Hinweisen, dass sie gar nicht daran denkt, den Rüttgers-Plan umzusetzen. Es gehe „um die Programmatik der CDU“, sagte sie. „Grundlage der Regierungsarbeit ist der Koalitionsvertrag.“ Und da steht von Rüttgers nichts.